Zwei Dumme, ein Gedanke…

Zugegeben, mit diesem Artikel habe ich mich echt schwer getan. Schließlich geht es um das Highlight unserer Australien-Reise, etwas so Besonderes, das der Artikel natürlich wiedergeben sollte. Klar gebe ich mir immer Mühe beim Schreiben, aber dieses Mal sollte der Blogeintrag noch spritziger, noch mitreißender, noch tiefgründiger werden… Einfach weil wir uns wahrscheinlich noch in 50 Jahren daran zurückerinnern werden, an diesen völlig durchgeknallten Tripp. Es gibt wahrhaftig kein besseres Wort, als „durchgeknallt“, um das zu beschreiben, was wir die letzten Tage in Down Under gemacht haben. Daher etwas mehr Text und Fotos als sonst. Also, lest selbst, ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, sagt ihr es mir – hinterher, nach dem Lesen. Aber erst mal viel Spaß!

 

Es fing alles mit einer kleinen fixen Idee an. Kennt ihr das? Wenn einem so ein kurzer Gedanke durch den Kopf schießt, der sich dann über kurz oder lang in Deinem Hirn manifestiert und solange keine Ruhe gibt, bis Du ihn, so abwegig er auch ist, in die Tat umsetzt? Nun ja, so saßen wir also in unserem Hostel an der Great Ocean Road, hatten noch eine Woche Zeit bis zu unserer Rückkehr nach Sydney, die Rückreiseroute an der Küste stand eigentlich fest, und plötzlich überkam uns die Schnapsidee, mal eben noch einen kurzen Abstecher ins Outback zu machen. Nach 4 Wochen Sonne, Strand, Meer und Regenwald kam irgendwie der Wunsch auf, noch mal das „richtige“ Australien zu sehen. Nach dem wir uns in unseren ganzen bisherigen Australien-Tagen immer gewundert haben, dass Australien so gar nicht das ist, was man von TV und Kino kennt, wollten wir endlich noch mal rote Erde sehen und das echte Cowboy-Marlborough-Feeling leben. Endlose staubige Straßen mitten im Herzen Australiens. Man muss dazu sagen, dass sich das eigentlich Outback sehr weit im Landesinneren zwischen South Australia und dem Northern Territory erstreckt, der Osten des Landes, wo wir uns eigentlich befanden, ist eher grün mit dichten Wäldern. Aber wo wir nun also eh in Richtung Norden fahren wollten, dann… Uns spukte also Beiden die gleiche Idee im Kopf herum – nur, dass keiner von uns beiden sich traute, es dem anderen zu erzählen. Bis wir dann irgendwann am Frühstückstisch saßen, uns anschauten: „Du, ich hab da so eine Idee… Ich weiß ja nicht, wie Du das siehst, aber wenn wir nun schon mal ein Auto haben und in Richtung Outback fahren, dann könnten wir doch eigentlich… so ein klitzekleines Stück weiter fahren, bis zum… Du weißt schon…Na bis zum ... Ayers Rock?!“. Und von da an gab es kein Halten mehr. Hibbelig und voller Vorfreude starteten wir also am vergangenen Samstag in Richtung Adelaide. Wohl wissend, dass uns wahrscheinlich jeder, dem wir von unserem Spontan-Vorhaben erzählen würden, mal eben von der Südküste bis zum Ayers Rock und zurück nach Sydney in einer Woche zu fahren, einen Vogel zeigen würde. Sind ja nur mal eben an die 5.000 Kilometer. Aber so sind wir nun mal. Und warum nicht mal richtig vom Reiseplan abweichen und etwas komplett anderes machen? Gesagt getan…

Tag 1, Samstag, 12.02.2011, 688 Kilometer

 

Nach unserem erneuten Abstecher zu den 12 Aposteln, dieses Mal bei Sonne (siehe letztem Bericht) brechen wir gegen 16 Uhr Ortszeit endlich gen Norden auf. Irgendwie haben wir uns den ganzen Tag noch ganz schön verzettelt, der Küstenabschnitt bei Port Campbell hat uns zu sehr an die Algarve in Portugal erinnert. Und wo nun nach mehreren Tagen endlich wieder Sonne war, wollten wir natürlich auch ein paar schöne Fotos machen… Wir fahren also die 688 Kilometer in Richtung Southern Australia, zunächst noch an der Küste bis in das kleine Örtchen Warrnambool wo sich das offizielle Ende der Great Ocean Road befindet, von hier aus dann ins Hinterland. An der Straße verschlafene Nester, Pferdekoppeln, Rinderherden, kleine Lämmchen und Weingüter. Die Rebstöcke begleiten uns mehrere Kilometer, dazwischen romantische kleine Güter, Fachwerkhäuschen, über und über bewachsen von wildem Wein. Einige bieten Übernachtungen an – wir müssen weiter. Gegen 17 Uhr sind es immernoch über 500 Kilometer und wir bekommen eine Ahnung davon, wann wir heute Abend, oder vielleicht doch eher morgen früh, in Adelaide ankommen werden. Aufgrund der Landesinneren Zeitverschiebung kommen wir ganz durcheinander. Mitten im Nichts dann ein winziger Rasthof mit Volkfeststimmung. Die Gemeinde hat zum Open-Air-Kino eingeladen. Hunderte Menschen haben sich eingefunden, bewaffnet mit Kissen, Decken und Kühlboxen, Musik weht über die Wiese, immer mehr Autos kommen, Männer mit Cowboyhüten weisen ihnen Parkplätze zu. Die Leinwand ist an einem LKW gespannt, um 18 Uhr ist Filmbeginn. Einige sitzen schon auf der Wiese, viele haben Klappstühle dabei. Natürlich müssen wir sofort an die Filmnächte denken, ein bisschen wehmütig. Irgendwann, ich habe nicht auf die Uhr geschaut, geht links von uns die Sonne unter. Glutrot, steht sie hinter den Bäumen und Büschen, die sich wie Scherenschnitte schwarz davor abheben. „Wie Namibia“ kommt mir in den Sinn. Noch lange stehen orange Streifen am Himmel und leuchten uns den Weg. Erst, als alles komplett schwarz ist, stellen wir fest, dass es höchste Eisenbahn ist, zu tanken. Zwar liegen einige Orte auf unserer Route, aber alle haben eins gemeinsam. Sie bestehen aus maximal 5 Häusern. Und wenn sie eine Tankstelle haben, dann ist diese bereits geschlossen. In letzter Minute erreichen wir Tailem Blend und da, endlich, werden wir fündig. Bewaffnet mit einem Footlong Subway-Sandwich machen wir uns auf die letzten Kilometer, André ist völlig übermüdet und wir wollen Nichts als ein Bett. Leider erweist sich unserer Abstecher nach Murray Bridge, einer Vorstadt von Adelaide, als Reinfall. Das simpelste Motelzimmer kostet 120$ die Nacht. Dann doch lieber bis Adelaide weiter. Mittlerweile haben wir, nach 4 Tagen und Melbourne, endlich wieder Internet anliegen und ich mache noch während der Fahrt unser Hostel klar. Google Maps lotst uns zuverlässig durch die Stadt und gegen 23 Uhr fahren wir endlich vor dem Hostel vor. An der Rezeption, wie fast immer, Deutsche. Wir lassen uns noch ein paar Tipps für unseren Trip geben, fallen wenig später dann aber doch lieber schnell in unsere Kojen. Von den 18 anderen Betten im Zimmer bekommen wir nichts mehr mit…

Sonnenuntergang vor Adelaide
Sonnenuntergang vor Adelaide

Tag 2, Sonntag, 13.02.2011, 840 Kilometer

 

Unerbittlich klingelt der Wecker wieder um sieben. André rüttelt mich wach, meine Lider wollen und wollen nicht aufgehen. Will nur schlaaaaaaaaaafen. Irgendwann rappeln wir uns dann doch auf, nach einer Dusche geht es uns besser. Schnell noch einen Toast in der Hostelküche, gegen 9 Uhr, viel zu spät laut unserer Planung, starten wir. Noch in Adelaide wollen wir uns im Supermarkt für die nächsten Tage eindecken. Doch Fehlanzeige, Coles öffnet sonntags erst gegen 11 Uhr. Also fahren wir los in Richtung Port Augusta. 300 Kilometer und die letzte Stadt am Meer. Dort werden wir dann doch noch fündig und horten Getränke und nicht verderbliche Lebensmittel – wir ahnen bereits jetzt, dass die Preise im Outback für uns unerschwinglich sein werden. Ab Port Augusta endet dann auch die letzte zwei-spurige Straße und wir sind allein. Ich hatte gedacht, da dies, der Explorer`s Way die einzige Verbindung Australiens durch das Landesinnere zwischen Adelaide und Darwin ist, dass mehr Verkehr wäre, auch Touristenbusse oder mehr Camper. Statt dessen können wir wetten, wann das nächste Auto um die Ecke kommt und welche Farbe es hat. Zunächst geht die Straße steil bergauf, über lange karge Hochebenen, doch wer jetzt denkt, dass Outback sei nur trocken, Fehlanzeige. Die gesamte rote Erde ist übersäht mit dichtem grünen Gras. Und kurz hinter Pimba finden wir uns plötzlich am Lake Hart wieder, einem riesigen Salzsee. Wer hätte das vermutet? Seen im trockensten Teil des Landes? Am Straßenrand ein totes Känguru nach dem anderen… Es muss sie also tatsächlich geben, wilde Kängurus, doch so sehr wir uns auch anstrengen und in das dichte Buschwerk links und rechts starren, wir sehen keins. Dafür Autowracks ohne Ende. Völlig verrostet, um Bäume gewickelt, wurden sie zurückgelassen, manche hunderte Meter von der Straße entfernt, und ich frage mich, wie man auf einer derartig gerade und langen Straße so vom Weg abkommen kann.

Nur eines von Vielen an Straßenrand
Nur eines von Vielen an Straßenrand

Je weiter wir in Richtung Norden kommen, desto grüner scheint das Outback zu werden. Mittlerweile sind aus dem Gras, Büsche und Bäume geworden und der rote Sand blinzelt nur noch vereinzelt zwischen grünen Blättern hervor. Am Himmel weiße Schleierwolken, die Temperaturen um die 20 Grad. Verkehrte Welt in Australien. Normalerweise dürften alleine hier um die 40° sein, doch die Wettermassen nach „Yasi“ bringen Kaltluft herüber. Wie auf`s Stichwort fängt es plötzlich auch noch an zu regnen! Sprachlos starren wir durch die Windschutzscheibe nach draußen. Das gibt es jetzt doch wirklich nicht. Regen in der Wüste? Hier regnet es sonst angeblich nur 3x im Jahr! Aber wenn wir eines inzwischen in Australien gelernt haben, dann das das Wetter dieses Jahr komplett verrückt spielt. Wahrscheinlich sehen wir das Outback wirklich so, wie es die Einheimischen in den vergangenen 10 Jahren nicht erlebt haben, grün und fruchtbar statt rot und trocken. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir unser heutiges Ziel, bei immer noch strömendem Regen. Coober Pedy, die Opal-Hauptstadt Australiens. Bis zum Horizont liegen Erdhäufchen in allen 4 Himmelsrichtungen. Stumme Zeugen einer verzweifelten Suche nach Bodenschätzen, die Reichtum bringen sollen, jedoch in meinen Augen nur Einsamkeit und Verzweiflung. Eine lebenslange Droge. So sind auch die Menschen, Eigenbrötler, Aussteiger, an so einem Ort kann man nur leben, wenn man die Zivilisation verabscheut. Unter die Erde sind sie geflüchtet, aus Schutz vor den extremen Temperaturen und den Naturgewalten. Kein Berg schützt sie vor Wind und Regen, im Sommer bis 47° heiß, im Winter bis zu 0 Grad. So befindet sich die eigentlich Stadt unter der Erde, inklusive einer ganzen Kirche. Alte Mienengänge wurden zu Wohnzimmern. So auch unser Hostel für heute Nacht. Das Radeka Downunder. Der Besitzer ein verschrobener, kauziger alter Brummbär. Hier, 4-5 Meter unter der Erde sind konstant um die 24°, das ganze Jahr über. Unsere Betten, in einer alten Opal-Miene, unsere Tapete, rot schimmerndes Gestein. Als wir die Stufen hinab steigen, sind wir überrascht, wie angenehm das Klima unter der Erde ist. Draußen ist es nämlich aufgrund des Regens empfindlich kalt geworden. Erst jetzt verstehen wir, was mit einem „Open Dorm“ gemeint ist, die Doppelstockbetten stehen einfach im Mienen-Gang, es gibt keine Türen. André ist fasziniert und begeistert. Wer kann schon sagen, dass er einmal in seinem Leben in einer alten Miene geschlafen hat?

Unser Bett unter der Erde
Unser Bett unter der Erde

Tag 3, Montag, 14.02.2011, 849 Kilometer

 

Das Aufstehen fällt nicht schwer heute. So nah schon ist unser Ziel vor Augen. Der Ayers Rock kommt näher! Immer noch warten wir, dass sich das eigentlich erwartete Outback-Feeling bei uns einstellt. Statt dessen wieder nur grün soweit das Auge reicht. Ganze Landstriche neben der Straße stehen sogar unter Wasser. Kein Wunder, die harte Erde kann das ganze Wasser gar nicht mehr aufnehmen. So wie hier muss die Serengeti aussehen, nach dem es geregnet hat. Totes Land erwacht zum Leben. Nur das hier leider keine Giraffe um die Ecke spaziert kommt. Warum eigentlich nicht, fragen wir uns? Das hier wären doch beste Bedingungen für afrikanische Tiere? Ist schon mal jemand auf die Idee gekommen, hier Löwen und Geparden auszuwildern? ;-)

Outback unter Wasser
Outback unter Wasser

Je näher wir dem roten Herzen Australiens kommen, desto besser wird heute das Wetter. Der Himmel blau, hin und wieder Berge aus rotem Gestein am Straßenrand. Straßen bis zum Horizont, meist ohne Gegenverkehr, nur hin und wieder ein Schleicher vor uns. „Warum zum Teufel hält sich hier jeder an die 110?“ fragt André mich kopfschüttelnd. Ich weiß es nicht. „Vielleicht, weil sie es nicht anders kennen und gar nicht wissen, dass ein Auto auch schneller fahren kann?“ Wir lachen uns ins Fäustchen und André träumt von deutschen Autobahnen und seinem Galant. Jetzt, so kurz davor, können wir einfach nicht langsam fahren. Irgendwann wollen wir schließlich ankommen. Nur eines tut weh. Je weiter wir uns von der Küste entfernen, desto schwerer wird der Gang zur Tanksäule. Jede Stadt später steigt der Literpreis und als wir endlich, nach gefühlten endlosen Stunden später, die Grenze zum Northern Territory passieren und in die Straße zum Ayers Rock einbiegen, sind wir bei einem Literpreis von 1,74 (zu sonst um die 1,30!). Jetzt ist es nicht mehr weit. Der Himmel über uns wölbt sich dunkelblau und weiße Wattewolken hängen plastisch über unseren Köpfen, wie in einer 3D-Animation. Als könnte man sie einfach wie Zuckerwatte vom Himmel pflücken. Ich bin mir fast sicher, wenn ich aus dem Auto und auf`s Dach steigen würde, könnte ich sie berühren.

Viel Grün im roten Herzen Australiens
Viel Grün im roten Herzen Australiens

Mittlerweile sind wir so aufgeregt, dass wir nur noch unruhig auf unseren Sitzen herumrutschen. 140 Kilometer noch. Plötzlich taucht zu unserer linken ein roter Berg aus der grünen Wiese auf. Ist er das etwa schon? Nervös starre ich hinaus und versuche in der Ferne mehr zu erkennen. Wir kommen näher und irgendwann erhasche ich einen vollständigen Blick darauf. „Nein, das ist er nicht.“ Bin ich enttäuscht. Der Ayers Rock ist kein Tafelberg, wie dieser hier. Ein paar Kilometer weiter sehen wir dann auch das Schild: Mt. Connor (The forgotten Mountain). Okay, dann also noch nicht. Noch ein bisschen Warten. Als vor uns plötzlich mitten auf der Straße ein schwarzer VW-Golf steht, halten wir verwundert dahinter an. Was ist denn hier los? Und da sehen wir sie: Wilde Dromedare! Kein Witz! 3 Stück, direkt am Straßenrand. Wir sehen uns an: „Sind wir irgendwo falsch abgebogen und im Orient gelandet? Oder schon so dehydriert, dass wir eine Fata Morgana haben?“ Echte wilde Kamele im Outback? Davon hatten wir noch etwas gehört. Die 3 starren uns irritiert an, ehe eines direkt vor unserem Auto über die Straße läuft und wenig später mit den anderen beiden zwischen den Bäumen verschwindet. Das kam jetzt echt überraschend!

Nein wir sind hier nicht im Orient
Nein wir sind hier nicht im Orient

Eine Stunde später sehen wir dann endlich die ersten Zipfel des heiligen Berges. Je näher wir kommen, desto höher und majestätischer hebt er sich mit seinen 348 Metern gegen den blauen Himmel ab. Immer wieder bitte ich André anzuhalten, damit ich ein Foto machen kann, er wird schon ganz unruhig, will er direkt zum Berg und ihn nicht nur aus der Ferne sehen. Wir passieren den Nationalparkeingang und legen die letzten 15 Kilometer bis zum Berg zurück. Es hat etwas Spirituelles, nach all den Strapazen der Reise anzukommen. Vor 3 Tagen hätten wir es noch nicht zu glauben gewagt, dass wir diesen Mammuttrip tatsächlich schaffen. Und nun sind wir da. Wir! Am Ayers Rock! Als wir das Auto abstellen und in die Stille hinaustreten, reißen wir die Arme in die Höhe „Geschafft!!!!!!!“ jubeln wir und fallen uns in die Arme. Wir sind tatsächlich mit dem Auto hierhergefahren. GEFAHREN! Jeder Dummdödel kann schließlich zum Ayers Rock fliegen, nur wahre Helden fahren die 1.500 Kilometer selbst. „We can be heroes!“ In unserem Reiseführer steht, es sei eine epische Reise hierher, ich zitiere: „Adelaide to Alice Springs along the Stuart Highway. For wide open spaces and an adventure you`ll never forget this epic journey from the southern ocean to Australia`s red heart and beyond is a must…” Es hatte beinahe etwas von Pilgern, diese Fahrt hierher, das Ziel immer vor Augen und doch war ja auch der Weg das Ziel. Und nun sind wir da! Einen schöneren Abschluss für unseren Australien-Aufenthalt kann man sich kaum wünschen.

Der heilige Berg
Der heilige Berg

Fassungslos und müde laufen wir die wenigen Schritte direkt bis zum Felsen, zu seinem Fuße fühlen wir uns wie winzige Ameisen unter einem Baum. Da es bereits später Nachmittag ist, haben wir den Weg fast für uns allein, die befürchteten Touristenströme bleiben aus und wir genießen die Ruhe. Die Abendsonne taucht den heiligen Berg in ein goldenes Licht, als ich ihn berühre, spüre ich die Wärme, die er vom Tag gespeichert hat und versuche mit geschlossenen Augen ein wenig seiner Kraft zu fühlen. Wie konnte nur mitten auf einer Ebene ein derartiger Berg entstehen? Für die Forscher bis heute ein Rätsel ist der Ayers Rock für die Aborigines heilig. Laut Wikipedia ist der Uluru kein eigenständiger Gesteinskörper, sondern ein Teil einer unterirdischen Gesteinsschicht, die auch am 30 km entfernten Katja Tjuṯa an die Erdoberfläche tritt. Die Besteigung ist in Ausnahmefällen sogar möglich, es wird jedoch dringend davon abgeraten, da hier bereits 35 Menschen zu Tode gekommen sind.

Endlich da
Endlich da

Dafür führt direkt um den Berg ein kleiner Pfad, Eukalyptusbäume heben sich mit weißen Stämmen kontrastreich gegen den Himmel ab. Höhlen zeigen Jahrhunderte alte Felsmalereien und wir staunen immer wieder, wie glatt und einzigartig dieses Gestein ist. Schmale Rinnen sind vom Regenwasser schwarz gefärbt, ansonsten ist der Berg von einem bestechenden Rot, wie die Erde auf der er steht. Unser Weg endet an einem winzigen See mit heiligem Wasser, welches die Aborigines-Frauen für traditionelle Zeremonien verwenden. Nicht überall darf man übrigens fotografieren oder den Stein berühren. Viele Abschnitte sind so heilig, dass man nur in aller Stille daran vorübergehen kann. Als dann doch noch eine Reisegruppe an uns vorüberzieht, die meisten bekleidet mit peinlichen Netz-Hüten gegen die, zugegebenermaßen, ziemlich lästigen Fliegen, die einem hier buchstäblich in jede Körperöffnung fliegen wollen, sind wir wie immer unendlich froh, keine Pauschaltouristen zu sein. Es lebe das individuelle Reisen. Zurück am Parkplatz setzen wir uns noch für ein paar Minuten still auf eine Bank und lassen den Ausblick auf uns wirken. Die Sonne ist hinter den aufziehenden Gewitterwolken verschwunden, wir haben, wie immer, den perfekten Moment für unseren Besuch abgepasst. So richtig können wir uns nicht losreißen und uns verabschieden. Der Berg war das Ziel und jetzt haben wir nur noch eine verdammt lange Rückfahrt vor uns. Wir mögen beide noch nicht an morgen denken. Statt dessen fahren wir zurück ins 100 Kilometer entfernte Curtin Springs, unser Nachtlager für heute. Im Rückspiegel beobachten wir den immer kleiner werdenden Berg, wir waren tatsächlich da. Die Stimmung im Auto ist feierlich. Obwohl wir kein Wort sagen, sind wir uns nur stumm einig, über unser Erlebnis. Es gibt nichts mehr zu sagen, wir wissen beide, wie sich der andere fühlt.

Abschied vom Ayers Rock
Abschied vom Ayers Rock

In Curtin Springs dann die Vorbereitungen für morgen. Tanken, bei schmerzlichen 1,94 den Liter. Der Ort besteht nur aus einer Farm, klar das hier, bei den langen Transportwegen, alles um das 10-fache teurer ist. Um Geld zu sparen, nutzen wir den kostenlosen Zeltplatz. Wir suchen uns einen ruhigen Stellplatz unter den Bäumen, stellen das Auto ab und präparieren es für die Nacht. Mit uns nur eine handvoll Autos, im Gegensatz zu uns besser für das Outback gerüstet. Sie machen Lagerfeuer, schlagen ihre Zelte auf und duschen unter den Bäumen. Diese Nacht, das weiß ich schon jetzt, werden wir niemals vergessen. Wir, mitten im Outback, eine Nacht quasi in der Wildnis unter dem Sternenhimmel. So komme ich doch noch zu meinem gewünschten Farmstay. Allerdings in einer etwas anderen Form als geplant. Ich kämpfe noch mit dem neugierigen Haus-Emu. Aufdringlich schleicht er um unser Auto herum, in der Hoffnung, etwas Fressbares zu finden. Aufgerichtet ist er so groß wie ich und mir irgendwie nicht wirklich sympathisch. Ich springe ins Auto und werfe die Tür hinter mir zu, er steht draußen, mit dem Schnabel direkt an der Scheibe und starrt mich aus seinen undurchdringlichen braunen Augen tiefgründig an. Wäre die Scheibe nicht dazwischen, würden sich unsere Nasen berühren. Egal was ich auch tue, sein Blick verfolgt mich und er will einfach nicht weggehen. André steht etwas entfernt draußen und amüsiert sich köstlich. Nach dem wir uns noch gute 5 Minuten gegenseitig durch`s Fenster taxiert haben, gibt der Emu endlich auf und trottet davon. Endlich kann ich unser spärliches Abendessen zubereiten und danach klappen wir die Autositze zurück und versuchen es uns, so gut es geht, bequem zu machen. Nach und nach wird es ruhig um uns, durch die offenen Fenster zieht ein angenehm kühler Luftzug. In der Ferne Wetterleuchten, Blitze zucken immer wieder kurz über den Himmel. Lange können wir nicht einschlafen, trotz Müdigkeit, zu aufregend war der Tag. Wir starren in die Dunkelheit und erst als das letzte Lagerfeuer um uns erlischt, finden wir Schlaf. Meine letzten Gedanken, was ist, wenn des Nachts eine giftige Spinne oder Schlange durch die geöffneten Fenster ins Auto krabbelt oder kriecht, versuche ich auszublenden.

Autsch
Autsch

Tag 4, Dienstag, 15.02.2011, 1.086 Kilometer

 

Als Bewegung in die ersten Zelte um uns herum kommt, schlage ich die Augen auf. Es ist noch stockdunkel und ich habe erstaunlich gut geschlafen, wenn man das von einer Nacht im Auto überhaupt sagen kann. Relativ fit beobachte ich, wie die ersten, um rechtzeitig zum Sonnenaufgang am Ayers Rock zu sein, aufbrechen. Warum eigentlich nicht jetzt schon los fahren? Überlege ich mir, während auch André langsam wach wird. Ich unterbreite ihm meinen Vorschlag, und er nickt nur schlaftrunken. Ich bedeute ihm, weiterzuschlafen und steuere das Auto hinein in die Nacht. Zurück bis zum Haupt-Highway in Richtung Süden sind es von hier gute 150 Kilometer und da heute eine Fahrtstrecke von knapp 1.200 Kilometer vor uns liegt, ist es gut, wenn wir zeitig starten. Die Straße ist komplett leer und ich fahre langsamer als sonst, weil ich Angst habe, dass mir im Kegel der Scheinwerfer doch noch ein Känguru vor`s Auto springt. Laut Uhr ist es jetzt um sechs und ich warte vergeblich auf die ersten Anzeichen der Dämmerung. Über eine Stunde fahre ich durch die Dunkelheit, nur Gelegentlich hoppelt ein Hase über die Fahrbahn, bis endlich ein schmaler heller Lichtstreifen am Horizont auftaucht. Langsam, ganz langsam färbt sich der Himmel dunkelblau und von Minute zu Minute wird es heller. Eine Wohltat für meine müden Augen, fahre ich doch nicht gerne nachts. Ich genieße die Stille, André schläft wieder ganz fest, so allein auf der Straße nur ich und die Weite um uns herum. Bäume und Berge nehmen langsam Kontur an im Licht der aufgehenden Sonne. Noch ist sie nicht auszumachen, nur aus dem dunkelblau wird allmählich ein zartes gelb. Erst als wir gegen 7:30 in Erldunda ankommen, dem Kreuzungsort zwischen Alice Springs und Coober Pedy und wieder auf den Haupt-Highway fahren, blitzen die ersten Strahlen auf und wir kneifen die Augen zusammen, angesichts des gleisenden Lichtes. Jetzt ist auch André wach und hat das Steuer übernommen, damit ich noch ein wenig schlafen kann. Heute heißt es wirklich einfach nur fahren, fahren und nochmals fahren. Wir wollen zurück bis Port Augusta, von wo wir morgen weiter in Richtung Sydney fahren werden. Das bedeutet, wenig Pausen, eigentlich nur Tankstopps, viele Fahrerwechsel und ein straffes Reisetempo.

Zum Glück ist auch heute wieder wenig Verkehr und wir können straff die 140 km/h durchfahren. Wir kommen gut voran. Alle 2 Stunden legen wir eine kurze Pause ein, um zu tanken und uns am Steuer abzuwechseln. Die Kilometer fliegen dahin und gegen Mittag sind wir bereits zurück in Coober Pedy. Da noch eine Nacht hier für uns nicht in Frage kam, fahren wir direkt weiter. Nur hin und wieder bremst uns einer der riesigen Road Trains aus, riesige LKW`s und Schwerlasttransporte, zum Teil mit bis zu 3 Anhängern. Bei einer schnurgeraden Straße ohne Gegenverkehr zum Glück kein Problem. Wir haben heute kaum einen Blick für die Umgebung. Schlafen und Fahren wechseln sich ab. Unser kleiner Huyndai bringt uns zuverlässig und schnell gen Süden. Die Orte Glendambo und Pimba lassen wir links liegen. Unglaublich, dass wir noch gestern und vorgestern auf dieser Strecke gen Ayers Rock gefahren sind, wir winken den entgegenkommenden Fahrern, diese haben ihr Highlight noch vor sich. Überhaupt ist Grüßen hier Pflicht. Egal ob Camper oder LKW, wenn uns ab und zu dann doch mal ein Fahrzeug entgegen kommt, grüßen wir uns gegenseitig – lonely riders on the road of life…

Weites Land
Weites Land

Gegen 17:30 Uhr sind wir zurück in Port Augusta. Schneller als gedacht. Und… müde. Hundemüde. Wir steuern den nächsten Campingplatz an – Hostels sind auch hier Fehlanzeige. Die Cabins, wie immer zu teuer, was bleibt, wieder der Zelt-Stellplatz und noch eine Nacht im Auto. Immerhin eine Dusche heute und eine Campingküche. Die weihen wir dann auch gleich Mal ordentlich ein, ehe wir uns den Staub des Outbacks von den Körpern waschen. Die Zivilisation hat uns wieder. Das Outback liegt hinter uns. 3436 gefahrene Kilometer. Morgen noch einmal eine Mammut-Etappe von 1.200 Kilometern bis kurz vor Sydney. Dann haben wir es geschafft.

Tag 5, Mittwoch, 16.02.2011, 1.168 Kilometer

 

Waren wir gestern noch hoch motiviert, die lange Strecke anzugehen, können wir uns heute kaum aufraffen. Viel zu spät quälen wir uns aus unseren Autositzen, viel zu spät machen wir uns auf den Weg. Von Port Augusta geht es zunächst über ein paar Dörfer in Richtung Osten, ehe wir auf den richtigen Highway stoßen. Autobahn auch hier Fehlanzeige, wieder nur Landstraße. André hat es Erkältungstechnisch voll erwischt, seine Augen sind ganz klein und müde. Ich schrubbe Kilometer, d.h. durchziehen. Nur, heute sind Berge und Täler, Kurven und wesentlich mehr Verkehr an der Tagesordnung. Wir queren ein paar Pässe, Erinnerungen an Neuseeland werden wach. Kühe und Schafe grasen an der Straße, lediglich die allgegenwärtigen Eukalyptusbäume erinnern uns daran, dass wir noch in Australien sind. Dann mal wieder weite Plateaus, auf denen ich das Ende der Straße nicht ausmachen kann. Die Luft ist heiß, die Klima läuft auf Hochtouren und doch schwitzen wir im Auto wie verrückt. Die Straße verschwimmt in der Glut der Mittagssonne und immer wieder breche ich Überholvorgänge ab, weil ich in der flirrenden Hitze nicht ausmachen kann, ob uns ein Auto entgegen kommt oder nicht. Eine Herde Emus steht irgendwann auf der Straße und lässt sich kaum dazu bewegen, den Weg frei zu machen.

Straßensperre der etwas anderen Art
Straßensperre der etwas anderen Art

Orte, die so einsam sind, dass ich für eine Million nicht freiwillig hierherziehen würde. Wieder Outback, abwechselnd mit grünen Hügeln und Wiesen. Irgendwann die Grenze zu New South Wales. Dazwischen immer wieder Tanken. Jedes Mal kratzen wir die Überreste der Schmetterlinge, Fliegen und Libellen von Windschutzscheibe und Kühlerhaube. Ein gefundenes Fressen für die Krähen und Raben, die sich begierig darauf stürzen, wie auf ein kaltes Buffet. Jeder Muskel schmerzt von zwei Nächten hintereinander im Auto und wir sehnen uns nach unserem heutigen Ziel, der kleinen Stadt Dubbo, 300 Kilometer vor den Toren Sydneys. Dort wartet zum ersten Mal seit 5 Wochen ein Hotelzimmer auf uns. Ein Einzelzimmer mit eigenem Bad! Nur das treibt uns voran und macht die Fahrt irgendwie erträglich. Wir reden nicht viel, die Ereignisse der vergangenen Tage schwirren in unseren Köpfen herum und die Tatsache, dass wir mal eben 4.700 Kilometer in 4 Tagen gefahren sind. Ab der Stadt Broken Hill sind wir plötzlich wieder mitten im Outback. Eukalyptusbäume überwuchern halb die Straße, als hätte man gerade erst frisch eine Schneiße in den Urwald geschlagen. Als die drückende Schwüle dann kaum noch zu ertragen ist, öffnet der Himmel endlich seine Schleußen und endlich, endlich regnet es wieder. Wir fahren direkt in eine dunkle schwarze Wand, hinter uns die untergehende Sonne und vor uns… ein Regenbogen. So kräftig in den Farben, so intensiv. Ich halte mitten auf der Straße und springe hinaus mit der Kamera. Ein krönender Abschluss unseres Outback-Trips! Gerade rechtzeitig zum Einbruch der Dunkelheut erreichen wir schließlich Dubbo und beziehen unser Zimmer. Noch ehe André mit dem Essen vom Fastfood-Restaurant um die Ecke zurückkommt, bin ich eingeschlafen. 12 Stunden Fahrt zollen ihr Tribut. Wir sind am Ende. Doch alle Anstrengung hat sich gelohnt. Wir haben den Ayers Rock gesehen! Noch vor 5 Wochen sind wir bei der Vorstellung, den weiten Weg ins Outback zu fahren, in Gelächter ausgebrochen, so abwegig erschien uns der Gedanke. Doch nun haben wir es tatsächlich getan. 4 Staaten in 5 Tagen. Victoria, Southern Australia, Northern Territory und New South Wales. Eine wahrhaft durchgeknallte Reise!

Willkommener Regen
Willkommener Regen

Noch mehr Fotos vom Outback Trip gibt`s hier:

http://wirsinddannmalunterwegs.jimdo.com/fotogalerie/australien/

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Kommentare: 1
  • #1

    Sylvia (Montag, 21 Februar 2011 17:17)

    Ey, Ihr seid ja mal komplett verrückt! Ich habe mir grad bei google earth angeschaut wo die Great Ocean Road ist und wo Ayers Rock…. Völlig gaga, aber so seid ihr nun mal (und ich dachte Namibia wäre krass gewesen –> Palmwag Lodge *grins*) Am meisten musste ich grinsen als ich den Satz „Viel zu spät quälen wir uns aus unseren Autositzen, viel zu spät machen wir uns auf den Weg.“ gelesen habe. Ja, so kennen wir Euch! Freuen uns schon riesig auf Sonntag! Schreibt uns bitte mal noch eure Flugnummer!