Kamakura – ein Besuch der alten Hauptstadt

Circa eine Stunde südwestlich mit der Bahn von Tokyo entfernt, liegt das etwas verschlafene Städtchen Kamakura. Wenn man mit dem Zug am Bahnhof ankommt und aus dem Gebäude auf den Vorplatz tritt, ist schwer vorstellbar, dass diese kleine Stadt einmal die Hauptstadt des Landes Japan gewesen ist (na gut, das ist auch schon eine Weile her, nämlich von 1185 bis 1333). Wenn uns jedenfalls nicht Silvia den Tipp gegeben hätte, wären wir ganz sicher nicht auf die Idee gekommen, hierher zu fahren. Kamakura ist eher ein Geheimtipp für Touristen, jedoch ein sehr beliebtes Ausflugsziel für die Tokyoter. Aufgrund seiner unzähligen gut erhaltenen Tempel (65!) und Schreine (19!) gibt es einen guten Einblick in das traditionelle Japan – wenn man einen Besuch Kyotos nicht unbedingt auf der Tagesordnung während seiner Japan-Reise hat. So erging es uns zumindest, war doch eine Zugfahrt mit dem Shinkansen nach Kyoto einfach unerschwinglich. Also hieß es am vorletzten Freitag bei frühlingshaften Temperaturen um die 20° und strahlendem Sonnenschein: Ab nach Kamakura!

André, Jana und der große Buddha
André, Jana und der große Buddha

Vom Tokyoter Hauptbahnhof fahren wir mit der JR Yokosuka Linie ins 50 Kilometer entfernte Kamakura. Als wir auf dem Bahnhof ankommen, müssen wir uns erst einmal orientieren – irgendwie hatten wir gedacht, dass die Sehenswürdigkeiten hier näher beieinander liegen würden. Zum Glück hilft uns eine freundliche Bahn-Angestellte mit einem Stadtplan aus und wir verschaffen uns einen ersten Überblick über Kamakuras Attraktionen. Auf dem Plan sind derartig viele Tempel und Schreine eingezeichnet, dass wir angesichts der Vielfalt total überfordert sind. Zum Glück gibt der Lonely Planet einen ersten Fingerzeig – nicht weit vom Bahnhof befindet sich der wichtigste Shinto-Schrein des Ortes, Tsurugaoka Hachiman-gu. Der Gottheit Hachiman - Schutzgottheit des Minamoto-Clans und Kriegsgott - geweiht, war dies seit 1063 der Schutzschrein des Minamoto-Clans. Seit 1191 befindet er sich an seinem jetzigen Ort; die meisten der heutigen Gebäude stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Schon der Weg dorthin, über eine kleine belebte Einkaufsstraße ist ein Erlebnis. Nach dem wir durch das erste Torii getreten sind, sind wir sofort umgeben von hübschen kleinen Geschäften in denen es traditionelles Kunsthandwerk, Essstäbchen und andere japanische Andenken zu kaufen gibt. Dazwischen nette Restaurants, deren Fotos von den Gerichten bereits Lust auf ein späteres Mittagessen machen. Der Eingang zum Schrein ist schnell gefunden und nach der traditionellen Reinigung bestaunen wir begeistert das Gelände. Zu unserer Rechten führt eine kleine Brücke auf eine winzige Insel, auf der dutzende weiße Fahnen mit japanischen Schriftzeichen im Wind flattern. Zum Hauptgebäude des Schreins führt eine breite Treppe, der Schrein selbst ist eher untypisch bunt bemalt in rot und gold. Drinnen finden sich wieder unzählige omamori mit dem obligatorischen Hasen drauf, manche auch mit hübschen Pferden. Anscheinend scheinen heute viele das gute Wetter genutzt zu haben, mit uns sind noch dutzende Japaner auf den Beinen aber wir sind, wieder einmal, glücklicherweise fast die einzigen Touristen.

Tsurugaoka Hachiman-gu
Tsurugaoka Hachiman-gu

Vom Tsurugaoka Hachiman-gu Schrein sind es dann knappe 15 Minuten zu Fuß stadtauswärts zum ältesten Tempel der Stadt, dem Kencho-ji. 1253 gegründet, ist Kencho-ji der bedeutendste der fünf großen Zen-Tempel in Kamakura und der Hauptstandtort der Rinzai-Sekte. Einst bestand die Tempelanlage aus sieben Hauptgebäuden und 49 Nebentempeln, von denen die meisten allerdings bei Bränden im 14. und 15. Jahrhundert zerstört wurden. Die Restaurationsarbeiten des 17. und 18. Jahrhunderts vermitteln jedoch noch immer einen Eindruck von der einstigen Größe des Tempels. Hier kann man die japanische Geschichte förmlich riechen. Die alten Tempel bestechen durch ihre Schlichtheit aus dunkelbraunem Holz. Drinnen finden sich reich verzierte Altäre. Kencho-ji ist bis heute ein Kloster und die älteste Zen-Ausbildungsstätte Japans. Im Versammlungshaus müssen wir dann die Schuhe ausziehen und laufen auf der hölzernen Terrasse um die mit Reismatten (Tatamis) ausgelegten Räume herum. Auf der Rückseite des Gebäudes liegt ein hübscher kleiner Garten mit Teich, hölzerne Bänke laden zu einer kleinen Verschnaufspause ein. Wir genießen die Ruhe, ehe uns der Hunger zurück in die Stadt treibt.

Kencho-ji
Kencho-ji

Schnell finden wir das kleine Restaurant wieder, ein Okonomiyaki-Restaurant, welches uns schon auf dem Hinweg neugierig gemacht hat und kurze Zeit später treten wir in das dunkle Innere. Ganz traditionell müssen wir am Eingang unsere Schuhe ausziehen, es gibt kleine Spinde, in die man seine Straßenschuhe hineinstellt und dafür in die darin befindlichen Pantoffeln schlüpft. Dann werden wir am Tisch platziert, in dessen Mitte eine heiße Stahl-Platte („Teppan“) dampft. Diese Art des Restaurants ist typisch für Japan, okonomi bedeutet „Geschmack“, „Belieben“ im Sinne von „was du willst“; yaki bedeutet „gebraten“ oder „gegrillt“. Wir bestellen beide Schwein mit Sojasprossen und Nudeln und bekommen das Essen roh auf zwei Tellern serviert. Schnell erklärt uns der Koch, der wie einer der Lehrer aus einem uralten japanischen Karate-Film aussieht, dass Prozedere. Ähnlich wie zu Hause beim Essen vom heißen Stein, bereitet man hier seine Mahlzeit nach Wunsch selbst mit Öl, Sojasauce und Chili zu. Spezialität des Hauses sind daher auch Omeletts und Pfannkuchen, wir stürzen uns jedoch auf unsere Nudeln. Es dampft und brutzelt sofort, als wir die ersten Fleischstücke auf der Platte verteilen und durch den kleinen Restaurant-Raum, die einzelnen Tische sind noch einmal mit Holz voneinander unterteilt, und die enorme Hitze der Platte, kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Das Essen schmeckt herrlich und wir langen ordentlich bei Salz, Pfeffer und Schärfe zu. Zum Glück gibt es wieder kostenlos Wasser, das neutralisiert die Schärfe ein bisschen. Wir sind beide voll in unserem Element und grillen, was das Zeug hält. Anderthalb Stunden später halten wir uns die prallen Bäuche, wir haben alles bis auf die letzte Sojasprosse vertilgt. Und jetzt wollen wir nur noch schnell wieder an die frische Luft.

Einmal in einem traditionell japanischen Gasthaus zu essen, ist ein Muss
Einmal in einem traditionell japanischen Gasthaus zu essen, ist ein Muss

Die Sonne steht schon tief, als wir uns auf unsere letzte Etappe für heute machen. Zu Fuß laufen wir vom Bahnhof, dieses Mal in die entgegengesetzte Richtung nach Ha-Se. Dort wollen wir den großen Buddha besichtigen, die bekannteste Sehenswürdigkeit Kamakuras. Der Daibutsu (=Großer Buddha) steht im Westen der Stadt, auf dem Gelände des Tempels Kotoku-in. Der Weg nach Ha-Se ist geschmückt mit typisch japanischen Einfamilienhäusern. Viele Städter leben hier und pendeln täglich nach Tokyo, die Häuser stehen dicht nebeneinander und oftmals passt das Auto wie maßgeschneidert in die winzige Garage. Bis zum Buddha sind es gute 3 Kilometer, alternativ hätten wir auch mit dem Zug fahren können, aber wir wollten uns das Geld sparen und lieber noch etwas von der Stadt sehen. Das schönste Stück ist, als wir von der Hauptstraße nach links abbiegen und nun durch eine kleine japanische Siedlung laufen. Ab und zu blüht auch hier am Wegrand schon ein Kirschbaum, und wir freuen uns wie verrückt über die etwas wärmeren Temperaturen und den blauen Himmel. Gerade rechtzeitig, kurz bevor die Sonne hinter den Hügeln verschwindet, erreichen wir unser Ziel. Die aus Bronzeplatten zusammengesetzte Statue ist 11,40m hoch und wiegt 850 Tonnen; ursprünglich soll sie mit Blattgold bedeckt gewesen sein. Sie stellt den Amida Nyorai, den Zukunfts-Buddha, dar, der die Seelen der Menschen in das Westliche Paradies aufnimmt. 1252 fertiggestellt, befand sich die Statue ursprünglich in einer großen hölzernen Halle, die jedoch 1495 bei einem Tsunami zerstört wurde. Der Daibutsu selbst überstand dagegen erstaunlicherweise alle Naturkatastrophen, sogar das große Erdbeben von 1923.

Der Daibutsu
Der Daibutsu

Wir setzen uns zu Füßen der Statue und lassen die Atmosphäre dieses heiligen Ortes auf uns wirken und den Tag noch einmal Revue passieren. Was für ein schöner Ausklang unseres Tokyo-Aufenthaltes und definitiv eines der Highlights unsere Japan-Woche. Klar, jetzt wo man ein wenig den verführerischen Duft des alten Japan geschnuppert hat, will man natürlich mehr von diesem faszinierenden Land sehen. 7 Tage sind einfach viel zu wenig. Wir wollen, neben Tokyo, auch Kyoto und Osaka sehen, den Mt. Fuji besteigen – die japanische Kultur noch besser kennenlernen und mehr als „Arigato“, „Sayonara“ und „Konnichiwa“ sagen können (obwohl wir mit diesen 3 Worten erstaunlich gut zurecht gekommen sind). Japan ist einfach die größte Überraschung unserer Reise. Ein Land, mit einer so vielfältigen beeindruckenden Kultur, das so schmählich vom Tourismus links liegen gelassen wird. Ein Fehler. Hat es doch so unglaublich viel zu bieten. Wir werden wiederkommen. Und dann mehr Zeit mitbringen. Und dann vielleicht, irgendwo in einer kleinen Gasse in Kyoto, tatsächlich einer Maiko oder Geisha begegnen.

 

(Quelle der Informationen zu den Sehenswürdigkeiten Kamakuras: Tokyo Travel Guide)

 

Mehr Fotos gibt`s wie immer hier:

http://wirsinddannmalunterwegs.jimdo.com/fotogalerie/japan/

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Kommentare: 2
  • #1

    Jonas (Montag, 07 März 2011 09:25)

    Hey ihr Reis-Esser,

    ihr seid ja voll auf dem Kultur-Trip! Ich aber auch, denn: Wir sind wieder im Rennen! 3:0 gegen Wehen-Wiesbaden mit Doppelpack durch Esswein (Hoffenheim, Aue und Cottbus sind interessiert, den sehen wir wohl nächstes Jahr nicht mehr) und ICH war im Stadion. Schönes Wetter, tolles Spiel und lecker Essen - so könnte es immer sein. Nun kämpfen vier Teams um Platz Drei, schau'n mer mal :-)

    Viele Grüße aus der Bibo
    Jonas

  • #2

    Alex (Freitag, 11 März 2011 20:00)

    Ihr habt es aber auch mit Katastrophen auf Eurer Reise - bin heute früh erschrocken und gleich hier schauen gewesen wegen Tokyoreiseabschnitt.... war dann echt erleichtert! Dann lese ich jetzt mal beruhigt den Hongkong Artikel und sende euch liebe Grüße aus der Heimat!