Nur Mut!

Hanois Straßen lebend zu überqueren, ist ein Wunder. Man nehme eine herkömmliche Straßenkreuzung, dazu hundert hupende Mopeds, mehrere Kleintransporter, PKWs und weitere hundert Fußgänger. Dazu, natürlich, keine Ampel, allenfalls ein paar Zebrastreifen (wozu die hier eingemalt sind, ist mir ein Rätsel). Dann heißt es loslaufen und auf keinen Fall stehen bleiben! Egal ob ein Moped mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf einen zugerast kommt, einfach ruhig weitergehen. Andernfalls wird man die andere Straßenseite niemals erreichen. Also, nur Mut, erstaunlicherweise gibt es bei all den Kamikaze-Fahrern kaum Unfälle. Das Prozedere kennen wir ja eigentlich schon von La Paz, allerdings kommen in Hanoi noch an die 5 Millionen Motorroller dazu. Und irgendwie schaffen es die Fahrer immer, sich problemlos durch fließenden Verkehr (in die entgegengesetzte Richtung!) zu bewegen. Als wir das erste Moped mit offensichtlichen Touristen drauf gesehen haben, mussten wir erstmal laut lachen. Wer das wagt, dem gehört unser Respekt! Wer hier auf einen Motorroller steigt, muss lebensmüde sein!

Straßenleben in Hanoi
Straßenleben in Hanoi

Nach dem wir die erste Nacht in Hanoi verdaut und am nächsten Morgen ein wunderschönes, neu renoviertes Zimmer bezogen haben, sieht die vietnamesische Welt gleich viel besser aus. Nach einem entspannten Vormittag trauen wir uns dann endlich auch erneut auf Hanois Straßen und sind erst einmal von einer Abgas-, Staub- und Lärmwolke umgeben. Die Luftverschmutzung ist immens! Und die Einheimischen sitzen mitten drin und brutzeln ihr Süppchen auf einem kleinen Gaskocher, während die Familie drum herum auf Plaste-Höckerchen lümmelt und quatscht oder Karten spielt. Nach dem ich an den ersten Straßen noch geschlagene 5 Minuten unschlüssig und ängstlich gewartet habe, zieht André mich nun schnell weiter – und siehe da, um uns herum teilt sich der Verkehrsstrom ganz automatisch. Als erstes suchen wir die vom Reiseführer empfohlene Agentur, dem Hotelmanager sind wir einfach aus dem Weg gegangen. Schnell werden wir in einer Seitenstraße fündig und sind positiv überrascht. Man will uns ausnahmsweise mal nicht über`s Ohr hauen! Alle Preise sind wie im Internet angegeben (wir haben dieses Mal gut vorher recherchiert) und der Mitarbeiter ist nicht übertrieben verkaufswütig. Er berät uns nur zu dem, was wir eh vorhatten, und eine halbe Stunde später verlassen wir glücklich, zufrieden und um die 600 $ leichter das Büro von ET Pumpkin. Die Ausflüge für die nächsten Tage sind gesichert und jetzt fühlen wir uns doch langsam auf sichererem Terrain. Ganz so kompliziert, wie wir es befürchtet hatten, ist es nun doch nicht.

Süppchen gefällig?
Süppchen gefällig?

Auf dem Weg zum Bahnhof lassen wir uns dann einfach durch die Straßen treiben. Überall sieht man Frauen mit den traditionell flachen, kegelförmigen Palmblatt-Hüten, viele tragen Körbe auf dem Kopf oder mit dem üblichen Holzstab als Hängekörbe an beiden Enden über der Schulter. Einer jungen hübschen Frau kaufen wir frittierte kleine süße Teilchen ab, lecker! Dazwischen Händler auf Rädern, die ihre Fahrräder voll beladen mit Blumen, Korbwaren, Reinigungsmittel und anderen Utensilien haben. Immer wieder werden wir eingeladen, in eine der vorbeifahrenden Rikschas zu steigen, doch wir lehnen lächelnd ab. Das Zugticket nach Hue am Bahnhof zu kaufen, müssen wir dann jedoch, aufgrund mangelnder Englisch-Kenntnisse der Bahnangestellten, verschieben. Wir kommen kaum ein Wort voran und können außerdem nur cash bezahlen. Also laufen wir zurück zum Hotel und suchen uns unterwegs noch ein nettes Restaurant, wo wir uns mit gebratenen Nudeln und Tee stärken. Obwohl es längst dunkel geworden ist, ebbt der Verkehrsstrom nicht ab, im Gegenteil, durch die Nachtmarkt-Stände werden die eh schon nicht gerade breiten Straßen noch schmaler und jetzt müssen sich die Fahrzeuge zum Teil durch Nadelör-große Straßenabschnitte zwängen. Auf dem Fußweg zu gehen ist unmöglich. Sämtliche Einwohner sitzen darauf und haben um sich herum Waren (Obst, Fisch, Fleisch, Gemüse, Blumen und Bücher) ausgebreitet. Es geht zu wie auf dem Basar und Handeln ist Pflicht! Mit Minimum einem Drittel sollte man in die Verhandlung gehen und am Ende nicht mehr als 50% des ursprünglich angegebenen Preises bezahlen, habe ich gelesen. Dabei sind 50% wahrscheinlich immer noch viel zu viel. Aber bei dem Preisniveau zahlt man doch wieder gerne. Es macht Spaß, den Einheimischen und anderen Touristen beim Kaufen und Verkaufen zuzuschauen und so langsam finden wir sogar Gefallen an dem bunten Treiben. Es ist gut, dass sich die meisten unseren Bedenken zerstreut haben und nun freuen wir uns richtig auf die kommenden Tage!

Handeln ist Pflicht!
Handeln ist Pflicht!

Mehr Fotos von unserem ersten Tag in Hanoi gibt`s hier.

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