The Parfume Pagoda

Ein lohnenswertes Tagesausflugsziel von Hanoi ist die berühmte Parfüm Pagode, 60 Kilometer süd-westlich der Stadt. Da die Anreise mehr als umständlich und beschwerlich ist, empfiehlt selbst der Reiseführer, den Trip mit einer Agentur zu machen und 25$ pro Person für einen Ausflug mit derart strammem Programm ist durchaus akzeptabel, finden wir. Als wir morgens zum vereinbarten Zeitpunkt am Büro der Agentur ankommen, werden wir auch direkt pünktlich abgeholt. Im Minibus geht die Fahrt dann stadtauswärts, im Bus mit uns, wie nicht anders erwartet, 5 Deutsche und, immerhin, 7 Vietnamesinnen.

 

Die Parfüm Pagode ist, wie uns der Reiseleiter erklärt, eine Art „Once in a lifetime experience“. Jeder Vietnamese sollte sie wohl einmal im Leben besucht haben. Wir sind gespannt, was heute auf uns zukommt, so sehr, dass André erst einmal ein Nickerchen im Bus macht ;-) Die Fahrt geht vorbei an tausenden Reisfeldern, in denen Frauen ihrer Arbeit nachgehen. Das Prinzip des Nassreisanbaus beruht darauf, dass zuerst die Aussaat in ein trockenes Feld erfolgt. Daraufhin wird das künftige Reisfeld präpariert bzw. durchgepflügt. Sobald die Samen zu wachsen beginnen, erfolgt die Umsetzung in das eigentliche Reisfeld und die Flutung (durch diese werden Unkraut und Schädlinge eliminiert). Nach 4-6 Monaten werden die Felder dann trockengelegt und beerntet. Somit sind pro Jahr nur 2-3 Ernten möglich.

Erstaunlich ist auch die Architektur der Häuser! Von Hand gemauert und hochwertig verputzt erstrahlen sie in einem kolonialen Glanz, wie man es in einem so armen Land nicht vermuten lässt. Dabei werden sie meist schmal, aber sehr hoch gebaut, mit zum Teil bis zu 5 Stockwerken übereinander. Riesige Holzflügeltüren, Säulen und Balkone mit reich verzierten Geländern, runden das Ganze ab. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, so beeindruckt bin ich von dem handwerklichen Geschick der Vietnamesen. In den Reisfeldern finden sich immer wieder kleine Friedhöhe mit wunderschön gearbeiteten Grabsteinen, Statuen griechischer Göttinnen, kleinen Tempeln und zum Teil winzigen Häuschen. Offensichtlich schafft man hier den Seelen seiner Vorfahren auch nach ihrem Ableben ein hübsches Heim.

80 % der Weltreisernte werden im Nassreisanbau erzeugt
80 % der Weltreisernte werden im Nassreisanbau erzeugt

Die Fahrtkünste unseres Guides sind jedenfalls waghalsig, die Überholmanöver treiben den Blutdruck in die Höhe. Zum Glück sitzen wir auf der Rückbank, dafür werden wir bei jedem Schlagloch beinahe mit dem Kopf gegen das Busdach katapultiert. Endlich kommen wir nach 2 Stunden und einer gefühlten Ewigkeit am Busparkplatz an. Nach einer kurzen ToiToi-Pause (ein Déjà-vu für uns, nach unserem Thailand-Aufenthalt 2009: im Boden befindet sich ein Loch, daneben zwei Trittsteine aus Porzellan, neben dem Loch ein Eimer für das benutzte Toilettenpapier und ein Wasserbehälter mit einer Schöpfkelle, der als Spülung dient – den Geruch dazu kann sich sicher Jeder vorstellen) geht es zum Bootsanlegesteg. Von hier werden wir nämlich auf dem Yen Stream zur Pagode schippern bzw. geschippert werden.

Die Frauen warten schon auf Passagiere
Die Frauen warten schon auf Passagiere

Es hat etwas Skurriles, tausende verrostete Kähne dümpeln im grau-braunen Wasser vor sich hin und nach ordentlich Geschiebe und Gedränge hat unsere Steuerfrau das Boot auf den etwa 10 Meter breiten Kanal hinausmanövriert. Es wird übrigens ganz umweltfreundlich gerudert, es gibt keine Motorboote, und traditionell rudern auch nur die Frauen. Einige haben ihre kleinen Kinder dabei, die uns schüchtern anlächeln. Ab geht die Fahrt, eine Stunde inmitten grün bewachsener Karst-Hügel, um uns herum hunderte weitere Boote, eine wahre Völkerwanderung. Um die 40.000 Touristen kommen täglich zur Pagode, die meisten davon jedoch aus Vietnam, kaum westliche. Wir werden aus den entgegenkommenden Booten begafft, wie Tiere im Zoo, und wenn wir nicht gleich zurückwinken, fordert man uns mit einem lauten Rufen „Hey, how are you“ dazu auf. Wenn wir dann doch Winken, wird das mit lautem Gejohle honoriert. Anfänglich sind wir nicht sicher, ob sich die Einheimischen einfach über uns lustig machen wollen, aber unser Guide erklärt uns, dass sie sich einfach freuen, mal andere Gesichter zu sehen und ihre wenigen Englisch-Kenntnisse anwenden wollen. Dann glauben wir das einfach mal.

Hunderte Boote begleiten uns
Hunderte Boote begleiten uns

Am Eingang der Pagode, die eigentlich aus mehreren Gebäuden besteht, die ringsum in den Hügeln verteilt liegen, gehen wir an Land, mit schätzungsweise 5.000 anderen Leuten. Am Wegrand stehen Stände mit Wellblech-Dächern, die Essen für die Pilger anbieten. Dabei hängt das Fleisch im Ganzen direkt vor dem Restaurant zur Schau, und man kann sich dann wohl häppchenweise im wahrsten Sinne des Wortes eine Scheibe abschneiden. Aber was da hängt, z.B. ganze Rehe, Hirsche, Schweine, Kühe und…. Wir haben keine Ahnung, was das für Tiere sein sollen, eine Mischung aus Ratte, Hund und Katze. Der Anblick ist mehr als ekelerregend und wir laufen schnell weiter, zum Glück haben wir heute noch nichts gegessen. Unser Guide führt uns nach Passieren des Eingangstores noch einmal ca. einen Kilometer steil bergauf, bis wir vor dem Tor der Thien Tru Pagode stehen. Wir haben 30 Minuten Zeit, diese selbst zu erkunden und mischen uns unter das bunte Völkchen. Direkt hinter dem Haupttor finden sich links und rechts zwei hübsche 3-stöckige Pagoden, in der Mitte des buddhistischen Tempels steht eine überdachte Pagode, ausgelegt mit Teppichen, auf der die Pilgerer essen. Einige sind bereits gestern Abend hergekommen und haben hier übernachtet. Alle haben Opfergaben mitgebracht, Früchte, Blumen, Kekse, überall brennen Räucherstäbchen. Der eigentliche Tempel steht etwas zurückgesetzt und der Altar ist wieder reichlich mit Gold verziert. Die Opfergaben liegen ausgebreitet davor, es sind so viele, dass die Mönchen und Nonnen sie immer wieder beiseite räumen müssen, um Platz für Neues zu schaffen. Es gibt verschiedene Heiligenstatuen, die angebetet werden, die Einheimischen haben außerdem dutzende kleine Geldscheine bei sich, die sie überall ablegen. Fasziniert beobachten wir die Zeremonien, bis wir von hinten beiseite gedrückt werden – die Religion kann offensichtlich nicht warten. Im Garten um die Tempel finden sich unzählige Statuen, Drachen, aber auch Krieger und anderes. Es ist schwer zu sagen, was alt und was neu ist. Ein wunderbares Gemisch aus Heiligtum und Pilgerort.

Überall wehen Gebetsfahnen
Überall wehen Gebetsfahnen

Nach der ersten Pagode gibt es Mittagessen und beinahe hatten wir es schon befürchtet, wir essen in einer der größeren Garküchen am Wegesrand, vor denen wir uns schon auf dem Hinweg geekelt haben. Es ist die reinste Massenabfertigung. Riesig lange Tische mit jeweils Platz für an die 100 Touristen stehen in Reihen, wir sitzen nicht lange, als uns bereits das Essen serviert wird. Es gibt Reis, Tofu, warmen Krautsalat, Ei und gebratenen Fisch. Es schmeckt überraschend gut und da wir nicht gefrühstückt haben, versuchen wir gar nicht erst drüber nachzudenken sondern schaufeln munter drauf los. Schließlich müssen wir dann noch auf den Berg zur eigentlichen Hauptpagode. Die Sensation des Restaurants ist jedoch eine Hündin im Hinterhof, die gerade 10 Welpen geworfen hat, die sich winselnd und jaulend um ihre Mutter herumdrücken. Die kleinen sind so süß (Christin und Sylvia, ihr hättet auf der Stelle einen mitgenommen).

Wir haben kaum aufgegessen, als es weiter geht. Wir haben die Wahl, die steilen 4 Kilometer bergauf zu laufen oder die neue Seilbahn zu nehmen. Da wir eigentlich nicht genügend Bargeld bei uns haben, wollen wir laufen, als wir jedoch den vollurinierten und –gesch… Weg sehen, kehren wir um und der freundliche Engländer aus der Gruppe tauscht uns noch ein paar Euros in vietnamesische Dong. Wir besteigen die Gondeln (übrigens „made in Austria“)und schweben hinauf in die herrlichen, nebelverhangenen Karstberge. Ein guter Vorgeschmack auf die Halong-Bucht, die noch vor uns liegt. Mit uns im Abteil sitzen 4 weitere Vietnamesen, die ebenfalls ordentlich Essen und Trinken bei sich haben – ob als Opfergaben oder als Wegzehrung – wer weiß. Obwohl alle kein Wort Englisch sprechen, wird erstmal über Fußball geradebrecht. Das ist uns in schon so vielen Ländern aufgefallen, wenn Leute unterwegs über etwas in Deutschland Bescheid wissen, dann über Fußball bzw. die deutsche Bundesliga. Dann wird uns auch noch Wein und Wasser angeboten – gastfreundlich sind sie sehr, die Vietnamesen. Etwa eine Viertelstunde gleiten wir über die Gipfel, unter uns der Pilgerweg, gesäumt von Verkaufsständen mit roten und blauen Plastikdächern. Es herrscht regelrechte Volksfeststimmung hier.

Abstieg in die Huong Tich Cave
Abstieg in die Huong Tich Cave

Oben angekommen sind wir dann eher geschockt, tausende Menschen schieben und drängeln in Richtung Haupt-Pagode, eine riesige Höhle, genannt Huong Tich, zu der wir noch weitere Stufen zunächst hinauf und dann wieder hinab steigen müssen. Wir reihen uns in die unfassbare Schlange an, und noch lange bevor wir die Höhle erreichen, dringt der durchdringende Geruch von faulem Obst an unsere Nasen. Auch hier spucken die Menschen überall, und (im Gegensatz zu China) sogar die Frauen. In der Höhle dann der größte Altar, den ich seit langem gesehen habe mit noch mehr betenden Menschen davor. Auch hier stapeln sich die Opfergaben und wir sehen, woher der strenge Geruch kommt. In der feuchten Luft schimmelt das Obst rasend schnell vor sich hin. Überall liegt außerdem Müll in den Ecken – eine Schande für eine heilige Städte wie diese. In der Höhle gibt es außerdem viele Tropfsteinsäulen und das Besondere hier ist, dass die Menschen Geld daran reiben und es dann in irgendwelche Löcher im Gestein stopfen. Außerdem gibt es einen Stein, der offensichtlich von der Decke tropft. Ich weiß nicht, ob es heiliges Wasser ist, jedenfalls drängeln sich dutzende Gläubige mit nach oben ausgestreckten Händen darunter. Daneben steht ein Wachmann mit der Trillerpfeife, der immer mal wieder für Zucht und Ordnung sorgen muss, wenn es zu kunterbunt zugeht. Ein Mann ist so besessen, einen Tropfen des Wassers zu erhaschen, dass er ohne Rücksicht auf Verluste, sein kleines Kind hinter sich herzerrt, bis diesen auf die Knie fällt und zu weinen anfängt. Er schleift es einfach weiter. Ich brauche glücklicherweise nicht lange auf einen Tropfen zu warten, dann verlassen wir fluchtartig die Höhle.

Nur einer von vielen Opfertischen
Nur einer von vielen Opfertischen

Den Weg zurück zur Talstation jedenfalls wollen wir laufen und schließen uns den zumeist Einheimischen an. Der Weg ist jedenfalls nicht zu verfehlen, bei all den Kitsch- und Ramschbuden. Vom Plastesoldaten bis hin zum Wimpel gibt es allen erdenklichen Scheiß! Soviel Mist haben wir nicht mal in China gesehen. Welche Firma lebt davon, solchen Schwachsinn zu produzieren? Und die Leute kaufen es auch noch!!! Unfassbar. Dazwischen wieder Garküchen für die Pilger und das schlimmste daran, überall Müll. Die Menschen werfen ihren Abfall einfach in die Gegend. Unter den Küchen, die meist auf Stelzen gebaut sind, liegen Dosen gehortet. Wir beobachten Einheimische, die etwas essen und ihre leeren Plastetüten hinterher ungeniert einfach auf den Weg werfen. Darüber könnten wir uns so dermaßen aufregen. Das gleiche ist uns schon in Thailand aufgefallen. Die Menschen haben einfach keinen Respekt vor der Natur. Schade, schade; schade…. Nach 40 Minuten sind wir wieder unten am Ausgangspunkt und satt von der Beschallung, dem Lärm, der Hektik. Wir wollen nur noch unsere Ruhe, zurück ins Hotel und die Tür hinter uns zu machen.

Ein Foto mit dem obligatorischen Hut darf natürlich nicht fehlen
Ein Foto mit dem obligatorischen Hut darf natürlich nicht fehlen

Zum Glück lässt der Rest der Gruppe nicht lange auf sich warten und wir laufen zurück zum Bootsanleger und paddeln in Richtung Busparkplatz. Jetzt sind noch mehr Boote als heute Morgen unterwegs und sogar wieder viele in die Gegenrichtung, die dann wieder hier schlafen werden. Zum Teil sind die Boote so voll besetzt mit Menschen, dass sie jeden Moment unter ihrer Last zusammenzubrechen scheinen und die kleinen Asia-Frauen rudern tapfer bis zu 50 Personen auf einmal. Wieder wird gewunken, was das Zeug hält, doch dieses Mal haben wir keine Lust, zurückzuwinken. Zu müde sind wir von den vielen Eindrücken. Zurück bei den Bussen geht es zum Glück zügig ohne große weitere Pausen zurück in Richtung Hanoi, wo wir gegen 17:30 Uhr ankommen. Wir retten uns in ein Internetcafé und bestellen uns erstmal einen ordentlichen Café Latte, um den heutigen Tag sacken zu lassen. Wir brauchen eine kurze Auszeit von Vietnam und das kleine Café lässt einen fast vergessen, wo man ist. Wir schlürfen unseren Kaffee, knabbern an einem Mandel-Croissant und beratschlagen, wie es weiter gehen soll. Noch 9 Wochen Weltreise…

 

Und hier noch ein paar weitere Pics.

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