Im Land des Drachen

Mystisch. Geheimnisvoll. Wer schon einmal Bilder der Ha-Long-Bucht gesehen hat, hat meist nebelverhangene Meerarme, geheimnisumwobene Karstfelsen und alte chinesische Dschunken vor Augen. Die Ha-Long-Bucht, 150 Kilometer östlich von Hanoi, ist mit Sicherheit der am meist besuchte Ort in Vietnam und seit 1994 UNESCO Weltnaturerbe. Die über 2.000 Inseln im südchinesischen Meer durften also natürlich auch in unserem Programm nicht fehlen. Bei gefühlten 50 verschiedenen Anbietern mit nochmals diversen verschiedenen Booten fiel uns die Wahl nicht gerade leicht, kann man doch für einen 2-tägigen Ausflug mit Übernachtung von 29,- bis um die 300,- € alles bezahlen. Da leider auch hier viel Negatives über betrügerische Agenturen die Runde macht, sollte man nicht an der falschen Stelle sparen und so haben wir uns für Indochina Junk und die „Lagoon Deluxe Cruiser Explorer II“ entschieden. Mit 150 US$ pro Person zwar ein Stück über unserem Budget, dafür gefiel uns aber die Vorstellung, dass das Boot nur 5 Passagierkabinen hat und keine Massenabfertigung. Also ging es am Mittwoch früh um 8 Uhr ab dem Büro des Reisebüros los. Das befürchtete Auschecken aus dem Hotel ging plötzlich ganz problemlos. Anscheinend hatte der Manager gemerkt, dass er mit seinen Verkaufsmethoden bei uns an der falschen Adresse war. Per Sammeltaxi ging es also gen Osten, schleppend, 4 ½ Stunden lang. Am Straßenrand wieder das bekannte Bild: Reisfelder, Reisfelder, Reisfelder. Irgendwann, nach endlosen 2 Stunden Fahrtzeit wenigstens eine kurze Pause: In einem XXL-Touristenshop. Wir schauen uns sprachlos an: An eine gebuchte Kaffeefahrt können wir uns aber nicht erinnern. 30 Minuten Pflicht-Aufenthalt zum Souvenirshopping. Na gut, ein paar Postkarten sind drin. 

Die Ha-Long-Bay
Die Ha-Long-Bay

Gegen 12:30 Uhr kommen wir endlich in Ha-Long-Stadt an, alle Boote legen vom Bai Chay Pier ab. Es herrscht hektisches Treiben und schnell wird unser Gepäck sortiert und den verschiedenen Booten zugeteilt. Wir werden bereits am Tisch den diversen Gruppen vorgestellt, mit uns werden je ein australisches und ein französisches älteres Paar und ein junger Mann aus dem Oman auf dem Boot sein. Die Gruppe ist mir auf den ersten Blick sympathisch und wir freuen uns riesig auf die kommenden 24 Stunden. Nach weiteren 10 Minuten ist unser Boot anscheinend bezugsfertig und „Ha“, unser Guide für die nächsten 2 Tage, nimmt uns in Empfang und geleitet uns zu dem kleinen Zubringerboot. Es wurde sogar ein kleiner Teppich für uns ausgerollt ;-) Die kleine Nussschale bringt uns und unser Gepäck zielstrebig in Richtung Boot. Nur welches von den hunderten, die im Wasser dümpeln, ist nun unseres? Wir steuern schließlich eine hübsche kleine Dschunke in rot-braunem Holz mit 2 Decks an. Der Kapitän winkt schon von Weitem und wir werden freudig von der Crew an Bord begrüßt. Ha geleitet uns erst einmal auf das Oberdeck, wo wir als Willkommens-Drink einen frisch-gepressten Orangensaft bekommen. Dann erklärt er uns das Programm für die Fahrt, ehe er uns die Kabinen zuteilt. Wir bekommen die Kabine 02 und beziehen kurz darauf unsere Kajüte. Die erste Nacht unseres Lebens, die wir auf einem Schiff verbringen werden. *grins*

Übersetzen zur Lagoon Explorer II
Übersetzen zur Lagoon Explorer II

Direkt im Anschluss ist auch schon Lunch-Time. Leider ist das Wetter zu kühl, um an Deck zu essen, daher ist der Tisch unter Deck liebevoll gedeckt. Wir werden platziert und schon steht auch schon der erste Gang auf dem Tisch, eine heiße Gemüsesuppe mit Hühnchen. Danach gibt es Reis, Gemüse, Hähnchenschenkel, Rind, Schweinegeschnetzeltes, Schrimps, Muscheln, und Tintenfisch. Auf unseren Wunsch hin, bekommen wir statt Seafood als Extrawurst Fleisch, bestaunen jedoch auch das Essen der anderen. Die Gruppe ist wirklich toll, alle verstehen sich gut und wir kommen schnell ins Gespräch. Obwohl die Franzosen kaum ein Wort Englisch sprechen, klappt die Verständigung ganz gut. Ich krame meine alten Brocken Schul-Französisch heraus und der Mann hatte ebenfalls in der Schule für 1 Jahr Deutsch gehabt. Den Rest versuchen wir mit Händen und Füßen. Das Essen ist exzellent und besonders die Unterhaltung mit dem Omaner ist interessant, weil er uns eine völlig fremde Kultur näher bringt. Der komplette Lunch dauert um die 1 ½ Stunden, bis wir satt und zufrieden die letzten Obststücke vom Dessertteller naschen.

Unser Esstisch unter Deck
Unser Esstisch unter Deck

Vorbei geht die Fahrt an den grauen, steilabfallenden Felsinseln, manche haben lustige Namen wie „Teapot-Island“ und „Goat Head Island“. Inzwischen hat es auch noch angefangen zu regnen, und tiefhängende Wolken wabern am Schiff vorbei und hängen über den meisten Gipfeln. Unser Stopp für heute ist die Thien Canh Cave, eine mysteriöse Höhle, in der zeitweise Fischer mit ihren Familien gelebt haben. Wir gehen mit dem kleinen Beiboot an einem winzigen Strand an Land und haben hier zunächst die Möglichkeit, eine Dreiviertelstunde zu kayaken. Das lassen André und ich uns natürlich nicht zwei Mal sagen und bewaffnet mit Regencape und Schutzhülle für die Kamera geht es flott in die Boote. Mit uns paddeln nur noch der Guide und der Omaner, die Franzosen und Australier bleiben lieber an Land. Es dauert ein Weilchen, bis wir nach der langen Pause wieder in unserem Paddel-Rhythmus sind, aber dann gleiten wir durch das ruhige Wasser und genießen die Stille um uns herum. Es ist fantastisch wieder auf dem Wasser zu sein. Kayaking hat etwas unheimlich Friedliches. Nur Du und das Wasser und die Stille um Dich herum, die lediglich rhythmisch durch das plätschernde Eintauchen des Paddels unterbrochen wird. Das Meer ist spiegelglatt und die Felsen spiegeln sich darin. Ha macht uns auf einen riesigen Jelly-Fisch im Wasser aufmerksam, und tatsächlich, so eine riesige Qualle haben wir noch nie gesehen. Das ganze Tier misst annähernd einen Meter im Durchmesser und taucht immer wieder auf und ab, auf und ab. Ha ärgert es ein wenig mit dem Paddel, ehe wir weiterfahren. In einer kleinen Seitenbucht, umgeben von Felsen, schwimmen zwei Häuser im Wasser. Morgen werden wir auch noch mal ein richtiges schwimmendes Dorf besuchen. Darauf sind wir jetzt schon gespannt. Immer wieder halten wir an, um ein Foto zu machen, vorsichtig packe ich die Kamera auf dem Wasser aus – nur keinen Wasserschaden erleiden.

Paddeln, paddeln, paddeln
Paddeln, paddeln, paddeln

Die Luft ist angenehm kühl und wir paddeln mit den Booten nacheinander in eine kleine Höhle, ehe es leider auch schon zurück in Richtung Boot geht. Mit uns liegen noch etwa 5 weitere Dschunken vor Anker und wir gehen zurück an Land, wo uns der Rest der Gruppe wieder in Empfang nimmt. Ha zeigt uns schnell noch die Thien Canh Cave, wegen der wir hier sind. Die Höhle wurde über 6 Jahre von Fischerfamilien bewohnt, ehe sie für den Tourismus erschlossen wurde. Nun befinden sich überall Leuchten, die die Höhle aus Felsspalten heraus indirekt romantisch beleuchten. Wir laufen weit hinein in den Berg, kommen in immer weitere Höhlen, alle mit einzigartigen Gesteinsformationen, Stalaktiten und Stalagmiten. Irgendwann stehen wir dann auf der anderen Seite des Felsens wieder an der frischen Luft und haben einen herrlichen Blick über die Bucht und die darin vor sich hin dümpelnden Dschunken.

Die Stimmung ist einfach magisch!
Die Stimmung ist einfach magisch!

Zurück auf der Lagoon Explorer II haben wir dann ein bisschen Zeit zur freien Verfügung, ehe es auch schon wieder Abendessen gibt. Wieder ist der Tisch edel gedeckt und die Servietten hübsch gefaltet. Zur Feier des heutigen Abends hat die Crew ganz besondere Gerichte mit passender Dekoration gestaltet. So gibt es einen Teller mit aus Rettich geschnitzten weißen Tauben, einen mit einem riesigen Adler aus Möhren und einen mit einer aus Gurke originalgetreu nach-geschnitzten Version unseres Bootes. Damit wünscht die Crew uns und unseren Familien viel Glück und Gesundheit. Das Essen ist wieder gewaltig, hier ein paar Auszüge des mehrgängigen Menüs: Hot  &Sour Seafood Soup, Chicken Salad Flavoured with Seasonal Herbs, Hot Rock King Prawn Marinated Asien Spice und so weiter und so weiter. Mmhhhh…… Nach dem Essen sitzen wir noch lange zusammen und unser Guide nimmt ein paar Französisch –Stunden bei unseren Mitreisenden, die auch ich gleich nutze, um meine eingerosteten Kenntnisse etwas aufzupolieren. Erst als uns die Augen zufallen, löst sich die Gruppe langsam auf, draußen ist es stockdunkel und nur die Lichter der umliegenden Boote blitzen über das Wasser. Es ist ganz ruhig, wir sind in einer kleinen Bucht vor Anker gegangen, es ist jedoch aufgrund der Wolken kein Mond und auch kein Stern zu sehen. Wir machen es uns in unserer Kajüte gemütlich und schon kurze Zeit später sind André und ich tief und fest eingeschlafen.

Unser Boot - aus Gurke geschnitzt
Unser Boot - aus Gurke geschnitzt

Ha weckt uns am nächsten Morgen unbarmherzig früh: nämlich um 7 Uhr. Man haben wir gut geschlafen! Bevor wir überhaupt richtig wach werden, drängt Ha schon zum Frühstück, die anderen sind bereits auf und sitzen gemütlich bei einer Tasse Tee in der Couch-Ecke. Zum Frühstück gibt es Nudelsuppe mit Hühnchen (etwas gewöhnungsbedürftig für uns) und Toast mit Marmelade. Während wir essen hat das Boot den Anker schon wieder gelichtet und wir steuern unser heutiges Ziel an, das Vong Vieng fishing Village. Wieder gehen wir per Beiboot auf`s Wasser und steigen kurz darauf in kleinere private Ruderboote um. Die Einheimischen paddeln uns nun eine Stunde durch das Schwimmende Dorf.

Zu Besuch im Fishing Village
Zu Besuch im Fishing Village

Das Vong Vieng fishing Village ist eines der größten und schönsten schwimmenden Dörfer der Ha-Long-Bucht. Hier leben über 300 Menschen auf dem Wasser! Die Häuser sind auf Plastikfässern gebaut und mit Holzpflöcken gesichert. Jedes ist ein bisschen für sich, viele haben Hunde und gelegentlich schallt über das Wasser nur der Schrei eines Babys. Ansonsten ist es herrlich ruhig, hier lässt es sich bestimmt gut aushalten. Die Häuser sind durch die umliegenden Felsen gut vor Wettereskapaden geschützt und die Familien halten sich durch einen fairen Tauschhandel gut über Wasser: Sie geben den frisch gefangenen Fisch an kommende Touristenboote ab und erhalten dafür im Gegenzug andere wichtige Lebensmittel, wie Milch, Butter, Brot, Obst und Gemüse. Unter ihren Häusern züchten sie meist auch noch Muscheln und Fische, und betreiben so eine kleine Perlenfarm. An einer größeren Häuseransammlung legen wir einen kurzen Stopp ein – hier gibt es sogar eine richtige Schule für die Kids – durch die kleinen Fenster sehen wir sie über ihren Schulheften brüten. André entdeckt in einem der Fischbecken einen riesigen Kugelfisch. Einen solchen haben wir auch noch nicht in Natura gesehen. Ich frage Ha, wie es hier mit der Müllentsorgung und den sanitären Einrichtungen ist. Nach dem die Bucht seit 2007 zunehmend für den Tourismus genutzt wird, bemühen sich die Agenturen, den Fischern in einem Programm beizubringen, ihren Müll nicht mehr im Meer zu entsorgen. Es kommen regelmäßig Boote, die den Müll abholen und auch aus dem Meer abfischen. Leider sieht man trotzdem bei Ebbe noch den an den Stränden angespülten Unrat. Die Toiletten der Fischer sind auf Chemie-Basis, die Stromversorgung erfolgt über Generatoren, die sich die Familien teilen.

Das Leben hier ist bestimmt nicht einfach...
Das Leben hier ist bestimmt nicht einfach...

Zurück zum Boot ist es noch mal ein gutes Stück zu Paddeln und ich staune über die Technik der schmalen einheimischen Frauen. Schließlich bitte ich unsere Steuerfrau darum, mal das Paddeln übernehmen zu dürfen, was sich schwieriger gestaltet als erwartet. Alle haben eine ganz spezielle Rudertechnik im Stehen, mit der ich überhaupt nicht klarkomme. Nachdem wir eine ganze Weile mehr oder weniger im Kreis gerudert sind und uns der Rest der Gruppe weit voraus sind, versuche ich es im Sitzen und so paddeln die alte Frau und ich mit jeweils einem Paddel einträchtig nebeneinander. Offensichtlich freut sie sich über unser Engagement – denn zum ersten Mal seit einer Stunde zeigt sich ein Lächeln auf ihrem runzeligen Gesicht. Je länger wir gemeinsam rudern, desto mehr scheint sie aufzutauen und obwohl wir uns nicht verständigen können, verstehen wir uns doch per Blickkontakt. Es ist ein tolles Erlebnis, den Einheimischen so nah zu kommen und ich ziehe den Hut vor all den Frauen, die den ganzen Tag die Touristen in den schweren Holzbooten herumpaddeln müssen. Ein wirklich harter Job!

Das Rudern ist gar nicht so einfach!
Das Rudern ist gar nicht so einfach!

Zurück auf der Lagoon Explorer heißt es auch schon wieder Packen. Das Schiff steuert zielgerichtet auf den Hafen von Ha-Long-Stadt zu und wir sitzen noch lange an Deck und lassen die Felsen an uns vorüberziehen. Ha-Long bedeutet so viel wie „absteigender Drache”. Der Legende nach schickte der Himmel einen Drachen, als das Volk der Viet einst angegriffen wurde. Dieser zermalmte die Feinde mit seinem Schwanz und riss dabei tiefe Furchen ins Land. Als der Drache im Meer abtauchte, stieg das Wasser an und überflutete die Furchen. Zurück blieben die Spitzen der aufgewühlten Erde - die Ha-Long-Bucht. Ha kommt noch auf ein paar Worte vorbei um uns den Ablauf des Checkouts zu erläutern und sich persönlich zu verabschieden – natürlich mit dem Trinkgeld-Gedanken im Hinterkopf. Er verdient laut seinen Aussagen nur 100 US$ im Monat als Guide – ich würde zu gerne wissen, ob das stimmt. Dennoch hatten wir zwei wunderschöne Tage an Bord und die Crew hat sich unheimlich viel Mühe gegeben, den Ausflug zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Der Lunch ist dann auch noch mal ein wahrer Festschmauß, ehe die ganze Crew vor uns Stellung bezieht, um sich von uns zu verabschieden. Unsere Kabinen sind bereits leergeräumt und für die Ankunft der nächsten Gruppe vorbereitet. Um 11:45 Uhr gehen wir von Bord und sagen der Ha-Long-Bay „Auf Wiedersehen“. Zu gerne hätten wir noch einen Tag mehr auf dem Boot gehabt und die Franzosen buchen spontan noch eine Verlängerungsnacht. Doch auf uns wartet schon die nächste Tour in Hanoi und so starten wir per Shuttle-Bus gegen 12:30 Uhr mit dem Rest unserer Gruppe zurück in Richtung der Hauptstadt.

 

PS: Hier gibt es noch weitere Bilder (konnten uns diesmal nicht so richtig entscheiden, daher ein paar mehr als sonst).

Abschied von der Ha-Long-Bucht
Abschied von der Ha-Long-Bucht

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