Black Hmong, Red Dzao und Tay

“You wanna buy something from me?” Diesen Satz werden André und ich garantiert nie mehr vergessen. 2 Tage in Sapa, im Reich der Bergvölker Vietnams, lassen einen wieder einmal an der Gerechtigkeit der Welt zweifeln und bringen einen garantiert schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Menschen zu begegnen, die nichts besitzen, als die Kleider, die sie am Leib tragen und dennoch so unverwechselbar freundlich und, ganz offensichtlich, glücklich sind, ist hart, und man sollte sich darauf einstellen, wenn man in den Norden Vietnams, an die Grenze Chinas, fährt. Großartig sollte Sapa sein, der Ausgangspunkt für Trekkingtouren in eine sagenhafte Landschaft. Hohe Berge, malerische Reisterrassen und dazu die farbenfrohe Kleidung der Bergvölker. Ein bunter Topf voll Highlights für Touristen. Vom schalen Beigeschmack, den das Ganze hat, wenn man am 5 Sterne Hotel vorbeiläuft und daneben Frauen im Dreck sitzen und ihre Waren feil bieten, hat keiner was gesagt. Auch hat uns keiner gesagt, dass kleine Kinder, mit noch kleineren auf dem Rücken, mit verrotzten Nasen, schmutzigen Gesichtern und tränenden Augen flehend vor einem stehen, und einen anbetteln, etwas zu kaufen oder Geld zu geben. Davon, dass ihre Eltern sie jeden Tag losschicken, in zerlumpten Sachen, während sie selbst handgearbeitete farbenfrohe Waren zum Verkauf bieten. Wie viel ist davon echt, haben wir uns gefragt, und wie viel Show? Dennoch trifft es einen bis ins Mark, in traurige braune große Kinderaugen zu schauen und dennoch hart bleiben zu müssen – Geld geben macht es nur noch schlimmer! Wenn man am liebsten eines der Kinder mit nach Hause nehmen, es in die Badewanne stecken, ihm anschließend die Haare kämmen und frische Sachen anziehen möchte. Trockene. Neue. Und es anschließend in den Arm nehmen, ihm über den Kopf streicheln und sagen möchte: „Alles ist gut!“ Davon redet keiner, wenn er aus Sapa kommt. Dabei ist Wegschauen unmöglich. Die Frauen und Kinder begleiten einen ununterbrochen, jeden Schritt. Dabei die immer gleiche monotone Bitte „You wanna buy something from me?“ Sapa sind Gegensätze. Auf der einen Seite weit entwickelter Tourismus, auf der anderen Seite die ärmsten Menschen des Landes. Wer Sapa bereist, sollte sich im Klaren darüber sein, Grenzerfahrungen zu sammeln. Und, dieses Mal flehe ich Euch an: Wenn ihr einmal da seid, kauft nichts von den Kindern und gebt ihnen auch kein Geld! Je mehr Geld die Kinder verdienen, desto eher werden sie weiterhin von den Eltern losgeschickt. Es scheint grausam, ist aber die einzige Möglichkeit. Wenn, dann kauft ihnen etwas zu essen, oder zu trinken. Aber bitte bitte: gebt ihnen kein Geld!

Zu Besuch bei den Bergvölkern Vietnams
Zu Besuch bei den Bergvölkern Vietnams

Vom ET Pumpkin-Büro ging es also noch am gleichen Tag unserer Rückkehr von Ha-Long zunächst zum Bahnhof von Hanoi. Mit uns in der Gruppe zwei supernette Amerikanerinnen, Kathy und Jeanne, mit denen wir uns auf Anhieb blendend verstanden. Das Taxi schaffte es tatsächlich mal ganz direkt und ohne Umwege uns zur richtigen Adresse zu bringen, aber, der Haken kam noch, der Fahrer wollte uns natürlich den kompletten Fahrtpreis berechnen. Sofort wurden wir wieder hellhörig – die Fahrt sollte laut Agentur im Reisepreis enthalten sein, d.h. der Fahrer hätte bei Abfahrt vom Büro eigentlich direkt bezahlt werden müssen. Wahrscheinlich will er einfach nur doppelt abkassieren und wir lassen uns auf keine Diskussionen ein und ich erkläre ihm freundlich aber bestimmt, dass er sich bitte an das Büro von ET Pumpkin wenden soll. Dann lassen wir ihn einfach stehen und laufen in Richtung der Abfahrtshalle. Per Zug geht es nun hinauf ins vietnamesische Bergland nach Lao Cai. Die ganze Nacht. Unsere erste in einem Schlafwagen. Und, im sogenannten „Softsleeper“ erstaunlich bequem und luxeriös.

Unser Schlafwagen
Unser Schlafwagen

Und Von Lao Cai (Endstation) dann noch einmal eine Stunde per Bus bis nach Sapa – von den Reisterrassen war angesichts der tiefhängenden Regenwolken und der Sichtweite unter 5 Metern nichts zu sehen. Zum Glück war ich zu müde, um die gefährlichen Überholmanöver auf der schmalen Bergstraße zu bemerken. Als ich dann irgendwann endlich verschlafen aus dem Fenster blicke, sind es nur noch 4 Kilometer und ich versuche in all den Nebelschwaden etwas von der Umgebung zu erkennen. Bereits als wir das erste Hotel ansteuern wollen, ist der Bus plötzlich umringt von Frauen in bunten Trachten. Das letzte Stück rennen sie laut schreiend neben dem Bus her und als sich die Türen öffnen, umringen sie sofort jeden Aussteigenden. Auch als wir dann irgendwann als letzte vor unserem Hotel ausgeschüttet werden, ergeht es uns nicht anders. Schnell rein ins Hotel, scheucht uns der Portier vor sich her. Ignorieren lautet das Zauberwort. Das erste, was uns auffällt, als wir den ersten Schock überwunden haben, ist die unglaubliche Kälte hier. Das Sapa der kälteste Ort in ganz Vietnam ist, wusste ich, aber so? Bibbernd und zitternd beziehen wir unsere Zimmer (ohne Heizung! In Sapa gibt es beinahe nirgendwo Heizungen). Schnell unter die warme Dusche – der Manager hat kurz das heiße Wasser angedreht. Die Zimmer sind spartanisch, aber sauber und zweckmäßig. Nach dem Frischmachen gibt es erst einmal ein deftiges Frühstück in der Lobby. Kathy und Jeanne sitzen schon in ihre dicksten Jacken gemummelt (man sieht beim Reden die Atemwolken!) vor einer dampfenden Tasse Tee und wir bestellen Pfannkuchen und Omelett. Der Tagesplan für heute sieht noch eine kurze Tour ins nächste Bergdorf vor, wir sind froh, dass es heute noch nicht in die Vollen geht. Das Wetter ist dermaßen ungemütlich, so dass wir lange vor noch mehr Tee (unser Hauptnahrungsmittel in Sapa) zusammenhocken und Reiseerfahrungen austauschen.

Gedränge am Auto
Gedränge am Auto

Nach dem Frühstück ist etwas Zeit zur freien Verfügung, ehe es auch schon wieder Lunch gibt und anschließend auf die Tour geht. Sämtliche warmen Sachen übereinander gezogen starten wir wie die Michelin-Männchen zur 3-Stunden-Wanderung. Draußen ist von der Umgebung immer noch nichts zu sehen. Wir laufen mit unserem Guide, einer jungen Einheimischen, zunächst über den lokalen Markt, zu unserem Schrecken gibt es hier tatsächlich Hund zu kaufen (ja, zum Essen!)! Das frische Obst und Gemüse sieht aber ganz okay aus. Bis zum Cat Cat Village, einem der Bergdörfer, welches für den Tourismus zugänglich gemacht wurde, sind es ca. 45 Minuten zu Fuß bergab, eine steile schlammige Straße, auf der uns immer wieder Motorbikes begegnen. Mit uns läuft jetzt noch eine ältere Franko-Kanadierin, die ebenfalls sehr sympathisch ist. Bereits seit dem wir das Hotel verlassen haben, sind wir sofort wieder umringt von ein paar Frauen der Black Hmong, die uns direkt versuchen, in ein Gespräch zu verwickeln und uns die ganze Zeit begleiten. Am Eingang zum Village zahlt man dann einen kleinen Eintrittsbetrag, der hoffentlich den Bewohnern zu Gute kommt. Das ganze Dorf ist an einen steilen Hang gebaut und bei gutem Wetter sollte man einen fantastischen Ausblick auf die umliegenden Reisterrassen haben. Wir sehen jedoch…Nichts! Gerade einmal die Umrisse der direkt am Weg stehenden Häuser sind zu erkennen. Holzhäuschen trifft es wohl eher. Auf dem gepflasterten Weg kommen uns sofort Kinder entgegen, manchen singen, andere strecken uns die Zunge raus.

Kinder in Cat Cat
Kinder in Cat Cat

Ich frage unseren Guide, was der Singsang der Kinder bedeutet. Sie erklärt mir lachend, es bedeute auf vietnamesisch „Gib mir tausend Dollar!“ Was es da zu lachen gibt, ist mir ein Rätsel. Generell scheint sie das Ganze ziemlich locker zu sehen. Auf unsere Frage, wie es so für sie ist, als Einheimische das Leid ihrer eigenen Mitbewohner zu sehen, antwortet sie nur ausweichend und zuckt die Schultern. Das sei eben so. Ein paar Stände am Wegesrand verkaufen Schals, Tücher, Armreife und selbstgenähte Taschen. Die Farben sind freundlich und leuchten im dichten Nebel. Überall müssen die Kinder mit ran. Die gesamte Landarbeit, der Reisanbau wird hier noch von Hand gemacht. Die Menschen nutzen lediglich Wasserbüffel. Während die Jungs bei der Landarbeit mit anpacken müssen, werden die Mädchen losgeschickt, um zu betteln oder einfache gebastelte Puppen und Schmetterlinge zu verkaufen. Eines der Mädchen ist so unfassbar schmutzig und regelrecht hartnäckig, dass sie uns den Weg versperrt, ehe wir nicht etwas von ihr kaufen. Offensichtlich hat sie noch ihre kleine Schwester dabei, die Kleine ist dermaßen verdreckt, sie zieht die Nase hoch und versteckt sich hinter ihrer älteren Schwester. Jeder von uns wird plötzlich ganz still, wir schauen uns betroffen an, die Franko-Kanadierin versucht dem Mädchen über den Kopf zu streicheln und ihr die Nase abzuwischen. Plötzlich hockt sie sich auf den Weg und pullert uns direkt vor die Füße. Unfassbar. Irgendwann frage ich die junge Frau, die uns begleitet, nach einer Toilette. Und bin entsetzt. Das folgende Foto, als Dokument der örtlichen Zustände, möchte ich Euch daher nicht vorhalten. Kein Wunder, dass hier alle Kinder krank sind!

Das stille Örtchen
Das stille Örtchen

Irgendwann erreichen wir auf unserem Abstieg die Talsohle und dort befindet sich das zweite Dorf. Neben einem Wasserfall befinden sich hier noch mehr Verkaufsstände – und auch wesentlich mehr Touristen, was noch mehr Kinder auf den Plan ruft. Wir können keine Minute stehen bleiben, sind permanent umringt von den Kleinen. Viele von ihnen sind maximal 5 oder 6 Jahre alt und tragen die ganze Zeit auch noch kleine Babys auf dem Rücken. Es sind so viele und wir sind fassungslos, wie selbstverständlich das Ganze für sie ist. Viele von ihnen haben sich entsprechende Taktiken zurecht gelegt, wenn andere Touristen ein Foto machen wollen, drehen sie die Köpfe weg. Erst wenn man bezahlt, stellen sie sich in Pose. Es ist erschreckend, wie abgebrüht bereits kleinste Kinder sind. Immer wieder muss ich mir den dicken Kloß im Hals wegdrücken und wenn ich mir die anderen anschaue, kämpfen so einige mit ihrer Fassung und den Tränen. Und daneben zücken reiche Touristen ihre teuren Spiegelreflexkameras. Im Dorf ist auch ein französisches Ehepaar mit zwei kleinen Kindern. Ich frage mich, wie diese den haarsträubenden Unterschied zwischen arm und reich wahrnehmen. Kann man schon als Kind begreifen, wie gut man es eigentlich hat?

Jeanne schwer in Bedrängnis
Jeanne schwer in Bedrängnis

Den Weg zurück kann, wer will und zu müde ist, sich per Motorbike fahren lassen. Wir beschließen zu laufen und alle reden wild durcheinander, um das gerade Erlebte zu verdauen. Wasserbüffel kommen uns auf der Straße entgegen und die erste Begegnung mit diesen riesigen Wesen auf der schmalen Straße ist ein wenig beängstigend. Doch die Tiere laufen langsam einfach an uns vorüber. Ich frage mich, was nun morgen auf uns zukommen wird, wenn wir noch mehr Bergdörfer besichtigen werden. Rings um Sapa leben hauptsächlich 3 der Bergstämme: Black Hmong, Red Dzao und Tay. Alle haben ihre verschiedenen typischen Trachten und leben hauptsächlich vom Reisanbau. Die Tour morgen soll 12 Kilometer lang sein und durch 3 der bekanntesten Dörfer gehen. Hoffentlich wird das Wetter besser. Unsere kompletten Sachen sind klatschnass und die Haare kleben uns an den Köpfen. Unser Guide grinst mich nur an: „Your hair is so wet!“ Ich weiß. Zurück im Hotel springen wir erstmal wieder unter die Dusche und versuchen anschließend unsere Sachen mit dem Fön zu trocknen. Alles ist klamm und riecht modrig. Kein Wunder bei all der Feuchtigkeit und den kalten Temperaturen. Zum Abendessen ziehen wir wieder alle unsere dicksten Jacken an – selbst in der Lobby, welche gleichzeitig das Restaurant des Hotels ist, gibt es keine Heizung und immerhin stellt man uns einen kleinen elektrischen Heizstrahler neben den Tisch. Da hilft nur wieder ein heißer Tee. Das Essen im Hotel ist überraschend gut, es gibt unglaublich gute Frühlingsrollen und die Kürbissuppe ist einfach fantastisch. Lange sitzen wir mit Kathy und Jeanne zusammen und schwatzen, die Beiden sind super zu verstehen und dank der letzten 4 Monate können wir uns beinahe fließend Englisch mit ihnen unterhalten. Jeanne ist ebenfalls schon weit gereist und kann uns viel über Indien und Nepal erzählen. Beide haben schon erwachsene Kinder und leben in Dallas. Einer von Jeannes 3 Söhnen arbeitet zur Zeit in Uganda für ein Hilfsprojekt. Sie selbst ist Lehrerin für immigrierte Kinder, Kathy ist Leiterin einer Bibliothek. Beide schauen auch unheimlich gerne Filme und wir diskutieren sämtliche Filme des vergangenen Jahres, bis wir gegen 21 Uhr müde und halb erfroren zurück in unser, noch kälteres, unbeheiztes Zimmer kehren und unter die dicke Bettdecke krabbeln (Jeanne und Kathy haben sich für 7$ einen kleinen Heizstrahler mit auf`s Zimmer genommen).

Achtung Wasserbüffel
Achtung Wasserbüffel

Der nächste Morgen hält eine Überraschung für uns bereit. Zum dichten Nebel hat sich nun auch noch strömender Regen hinzugesellt. Toll oder? Wir packen unsere Sachen, vor dem Start der heutigen Tour müssen wir noch auschecken. Wir treffen Kathy und Jeanne zum Frühstück und überlegen, was wir bei dem Wetter anstellen können. Auf die 12 Kilometer Tour hat im Regen keiner Lust und die Beiden haben netterweise schon mit dem Hotelmanager gesprochen, ob wir die ganze Tour nicht einfach im Jeep machen können. Natürlich ist das möglich – in Vietnam ist alles (gegen einen entsprechenden Aufpreis) möglich. Zum Glück soll uns das Ganze nur 2,- € mehr pro Person kosten, was uns akzeptabel erscheint. Erst später bemerken wir, dass nicht die komplette Tour per Jeep stattfinden wird, sondern wir nur zu einem späteren Startpunkt gebracht werden. Naja. Dann mal los. Kathy und Jeanne haben noch Regencapes für alle im Ort erstanden („very cheap“) und so geht es um 10 Uhr auf Tour. Schließlich gibt es bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Aus dem Jeep ist mittlerweile ein Kleinbus geworden und mit uns ist heute, neben der Kanadierin, noch ein Malaysier mit seiner Tochter unterwegs.

Black Hmong - unsere stetigen Begleiter
Black Hmong - unsere stetigen Begleiter

Wir verlassen Sapa auf einer schmalen Straße und jeder größere Gegenverkehr stellt einen Kraftakt dar. Da wird gehupt was das Zeug hält, ausgestiegen, und die Fahrzeuge schließlich in Maßarbeit aneinander vorbeimanövriert. Nach einer guten halben Stunde hört endlich der Regen auf und unter uns sind endlich die ersten Reisterrassen zu erkennen. Begeistert bitten wir den Fahrer, für einen kurzen Fotostopp anzuhalten und springen aus dem Bus. Endlich kann man die ganze landschaftliche Schönheit Sapas erkennen. Die Terrassen reichen bis ins Tal hinunter, dazwischen kleine Holzhäuschen und ein paar Menschen, die emsig hin und her wuseln. Kurz darauf ist Stopp für den Bus und es heißt Aussteigen und Losmarschieren. Sofort sind wir wieder von einer Traube Black Mhong umgeben, die sich um uns scharen und uns begleiten wollen. „How old are you?“, „Where are you from“ und „What`s your name“ wollen sie wissen, die einzigen Sachen, die sie in Englisch kennen (neben „You wanna buy something from me“, versteht sich). Mit uns laufen so noch um die 10 Frauen, alle mit bunten Tüchern um den Kopf und einem großen Korb auf dem Rücken. Kathy und ich kommen wieder ins Gespräch, André ist mit Jeanne schon ein Stück vorgelaufen. Auf dem Weg hinunter ins Tal kommen uns immer mehr Einheimische entgegen, unter anderem auch eine hübsche Frau der Red Dzao. Sie ist gerade frisch verheiratet und hat sich zur Feier des Anlasses den Schädel rasiert. Auf dem Kopf trägt sie statt dessen ein hübsches rotes Tuch mit Kordeln und Fransen.

Reisterrassen
Reisterrassen

Der Weg führt uns in der Talsohle vorbei an kleinen Holzhäuschen, umgeben von noch mehr Reisfeldern. Die Berge rings herum hängen immer noch in einer dichten Wolkenwand, aber es regnet nicht mehr! Als wir in das erste Dorf kommen, sind sie auch schon wieder da, die Kinder. Es gibt wieder das übliche Prozedere: Foto nur gegen „money“, na gut, dann lassen wir es eben bleiben. Einige kleinere tragen wieder bei der Kälte von um die 0° nur ein dreckiges T-Shirt und laufen barfuß!!! Sie spielen mit Steinen und Hölzern vom Wegesrand. Der Weg ist schlammig vom Regen der vergangenen Tage und immer wieder müssen wir über kleine Bäche und große Pfützen springen. Die einheimischen Frauen reichen uns hilfsbereit ihre Hände. Sie tragen in weiser Voraussicht Gummistiefel – wir haben unsere Hosen gleich mal direkt in die Socken gesteckt. Abundzu kommen uns ein paar andere Wandergruppen entgegen und alle haben wieder eine Traube der Hmong um sich. Offensichtlich ergeht es nicht nur uns so. Fasziniert schaue ich immer wieder auf die Reisfelder, der ganze Anbau ist eine wahre Wissenschaft für sich, denn der Reis muss im fließenden Wasser stehen und die Geschwindigkeit des Wassers muss exakt stimmen. Andernfalls würden sich (bei zu langsamem Fließen) Algen bilden bzw. (bei zu schnellem) die Reispflanzen fortgeschwemmt werden. Wenn die Landschaft jetzt schon so toll ist, kann ich mir gut vorstellen, wie fantastisch sie bei Sonne sein mag.

Kathy muss ein Flüsschen überqueren
Kathy muss ein Flüsschen überqueren

Nach gut 2 Wanderstunden kommen wir in das zweite Dorf, dort geht es schon wesentlich touristischer zu. Die Einheimischen betreiben neben dem Reisanbau auch noch weitere Landwirtschaft und so gibt es an kleinen Verkaufsständen am Wegrand auch Chilichoten und verschiedene Salate. Bei einer jungen Frau will ich einen bunten Schal als Andenken mitnehmen und wir liefern uns einen erbitterten Kampf um den Preis. Sie will umgerechnet zuerst 9,- € dafür haben, was ich mit einem ungläubigen Lachen quittiere. Dann beginnt das übliche Tamtam: „It`s very cheap, a good price, only for you” will sie mir den Kauf schmackhaft machen. Ich dagegen lamentiere: „Too much, too much“ und setzte die Hälfte des Preises an. Daraufhin guckt sie nun ganz entsetzt aus der Wäsche und jammert, wie „cheap“ ihr Preis doch schon sei. Der Schal jedenfalls stammt nicht mal von ihrer eigenen Handarbeit sondern kommt garantiert aus der nächsten Fabrik und schließlich ziehe ich den schlussendlich immer wirksamen letzten Trumpf aus dem Ärmel: Geldbörse wegstecken, gehen und sagen „Then I buy it somewhere else“. Und siehe da, ganz geschäftig holt sie plötzlich einen Beutel, packt mir den Schal ein und ich gebe ihr die 100.000 Dong. Es ist überall dasselbe.

Ein bisschen Würze für die Suppe des Lebens
Ein bisschen Würze für die Suppe des Lebens

Gegen 14 Uhr kehren wir zur Mittagsrast in einem kleinen Gasthaus ein. Es ist gleichzeitig eine Manufaktur und hinter unserem Tisch stellen Männer von Hand wunderschöne Holzmöbel her. Auf den Tisch kommen frische Tomaten und Gurken, Bananen und Orangen, Hühnerbeine, Brot und Käse. Das tut gut. Dazu der mittlerweile schon obligatorische heiße Lipton-Tea mit Zitrone. Die Black Hmong, die uns tatsächlich den gesamten Weg bis hierher begleitet haben, warten derweile weiter vor dem Restaurant. Unser Guide für heute, selbst eine Black Hmong, sitzt draußen bei ihren Stammesgenossinnen. Wir spekulieren, wie es nach dem Essen auf dem Rückweg zum Auto weitergehen wird, schließlich können wir nicht von jedem der Mädchen etwas kaufen. Der Malaysier jedenfalls langt ordentlich bei den Souvenirs zu. Für schlappe 240.000 Dong (8,- €) deckt er sich mit ein paar der traditionell karierten Tücher ein. Das Essen jedenfalls ist wunderbar und wir sind super happy, dass das Wetter heute so gut mitgespielt hat. Anscheinend haben einige der anderen Gruppen ihre Touren aufgrund des schlechten Wetters gecancelt, denn sonst wäre wahrscheinlich wesentlich mehr Betrieb gewesen. Ich bin jedenfalls heil froh, dass wir, trotz Kälte und anfänglichem Regen gestartet sind, obwohl wir am Morgen so überhaupt keine Lust dazu hatten. Dieser Tag ist wirklich einer der besten unseres bisherigen Vietnam-Aufenthaltes.

Viele der Hmong-Frauen tragen ihre kleinen Kinder auf dem Rücken
Viele der Hmong-Frauen tragen ihre kleinen Kinder auf dem Rücken

Die Strecke bis zum Auto ist dann nur noch ein Katzensprung. Mittlerweile hat sich der Himmel wieder etwas mehr zugezogen und es beginnt wieder zu nieseln. Unsere Hosen sehen übel mitgenommen aus und nur André hat seine beige Trekkinghose, dank seines ganz eigenen Laufstils, überraschend sauber gehalten. Die Hmong-Frauen haben ihre Taktik nun von freundlich und still in aggressiv und laut geändert und bombardieren uns fortwährend monoton mit „You wanna buy something from me?“ Als würde man nach dem 20sten Anlauf schwach werden. Dabei umzingeln sie uns regelrecht und ihre Gesichter sind längst nicht mehr so freundlich wie den ganzen bisherigen Weg. Irgendwann reicht es selbst dem geduldigen André und nach dem er sehr laut und deutlich gesagt hat, dass wir nichts kaufen, lassen sie uns plötzlich in Ruhe. Wir laufen vorbei an ein paar hübschen Homestays – einige der Reiseagenturen bieten mehrtägige Trekkingtouren mit Übernachtung in einem einheimischen Dorf an – was sicher, bei schönem Wetter und angenehmeren Temperaturen – eine einmalige Erfahrung sein muss. Wir freuen uns dann doch lieber wieder auf das Hotel und eine Dusche.

Tay-Frauen mit Neugeborenem
Tay-Frauen mit Neugeborenem

Am Parkplatz dann nochmal riesige Menschentrauben. Offensichtlich sind gerade ein paar andere Reisegruppen angekommen und sämtliche Dorfbewohner haben sich auf die Neuankömmlinge gestürzt. Gut für uns, sind die Frauen so abgelenkt in ihren Verkaufsgesprächen, dass wir beinahe unbehelligt schnell vorüber gehen können. Der Bus wartet ein paar hundert Meter weiter bergauf und wir plumpsen erleichtert und geschafft in die Sitze. Zurück im Hotel machen sich Kathy und Jeanne dann wieder auf die Suche nach einem der wenigen beheizten Kaffees und überlassen uns freundlicherweise ihr Zimmer für eine heiße Dusche. Angesichts der beiden kommenden Übernachtungen im Zug, die uns nun als nächstes bevorstehen, eine wirklich gute Idee. Frisch gewaschen und in trockene Sachen gepackt werden wir dann um 17 Uhr pünktlich am Hotel abgeholt und es geht zurück in Richtung Lao Cai. Dort hat uns die Agentur noch ein Abendessen im Restaurant versprochen. Die Lokalität, ein einfaches Bahnhofsrestaurant, sieht zwar nicht gerade vielversprechend aus, aber das Essen ist einfach super. Es gibt das vietnam-übliche Essen, Chicken bzw. Schwein mit Gemüse, Chili und etwas Zitronengras. Dazu Reis und ein warmer Tee – was will man mehr?

Unser nettes Grüppchen (2.v.l. die Kanadierin, rechts daneben erst Kathy und im Hintergrund links neben André Jeanne
Unser nettes Grüppchen (2.v.l. die Kanadierin, rechts daneben erst Kathy und im Hintergrund links neben André Jeanne

Der Zug fährt pünktlich um 20:00 Uhr ab und dieses Mal teilen wir uns sogar ein Abteil mit Kathy und Jeanne. Lange liegen wir noch wach und schnacken über die vergangenen beiden Tage. Jeanne kramt in ihren klammen Sachen – wir haben unsere Schlafsäcke gleich lieber in weißer Voraussicht in Plastiktüten verstaut. André ist längst eingeschlafen, als ich das Licht ausmache – morgen haben wir nun noch einmal einen ganzen Tag in Hanoi, ehe wir abends, wieder per Nachtzug, weiter gen Süden, nach Hue fahren werden. Der Ausflug nach Sapa jedenfalls war einfach toll! Auch wenn wir gefühlte Gefriertruhen-Temperaturen hatten (was wahrscheinlich auch daran liegt, dass wir nach 7 Wochen Fiji und Australien mit um die 30° einfach nichts mehr gewöhnt und richtige Weicheier geworden sind!), und auch wenn uns die Begegnung mit den ärmsten Völkern des Landes mehr als betroffen gemacht hat, waren die vergangenen 2 Tage, auch dank der Gesellschaft von Kathy und Jeanne, ein unvergessliches Reiseerlebnis für uns.

Definitiv der mit Abstand Beste aller Nachtzüge
Definitiv der mit Abstand Beste aller Nachtzüge

Dafür sollte sich der Morgen in Hanoi dann noch zu einer echten Herausforderung entpuppen. Nach einer erholsamen Nacht in unserem mehr als komfortablen Softsleeper-Waggon, kommen wir gegen 5 Uhr morgens am Bahnhof in Hanoi an. Weise wie wir als geübte Traveller inzwischen sind, steigen wir natürlich nicht in eines der direkt an den Gleisen stehenden Taxis und geben auch keinem der herumstehenden und sehr bemüht wirkenden jungen Männer unser Gepäck in die Hand – sondern steuern zielstrebig auf den Ausgang und den Bahnhofsvorplatz zu. Und natürlich haben wir inzwischen gelernt, dass man immer selbst einen im Wagen wartenden Taxi-Fahrer anspricht und nicht einfach mit dem Erstbesten mitgeht. Kathy und Jeanne sind, glaube ich, ganz dankbar, dass wir mit von der Partie sind, und die Sache in die Hand nehmen. Der erste Fahrer will dann tatsächlich 10 US$ von uns haben, woraufhin André und ich erst einmal in beherztes Gelächter ausbrechen. Bei einem Normalpreis von maximal 2 € soll das wohl ein Witz sein???? Als ich ihm sehr deutlich zu verstehen gebe, dass wir keine Volldeppen sind und niemals 10$ zahlen werden, wird er richtig aggressiv. Erst geht er vermeintlich auf 60.000 Dong runter, was immernoch zu viel ist, dann will er uns ein kleineres Fahrzeug andrehen, in das wir Vier niemals unser gesamtes Gepäck hineinbekommen. Ich drehe mich von ihm weg und will ein anderes Fahrzeug anhalten, doch jedes Mal wenn eines stoppt, kommt er sofort angerannt und hämmert wütend solange gegen deren Fenster, bis sie ängstlich weiter fahren. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Offensichtlich haben wir es hier richtig mit der Taxi-Mafia zu tun. Kathy und Jeanne stehen etwas unschlüssig und verängstigt da, offensichtlich wollen sie aus Unbehagen lieber doch das teure Taxi nehmen, doch ich gebe noch nicht auf. „Don`t trust him“ rufe ich und nach dem der Typ sage und schreibe 5 weitere Taxen vertrieben hat, laufe ich einfach ein Stück weiter die Straße hinunter. Plötzlich hält er wieder mit seinem Auto neben mir, öffnet den Kofferraum und will mir das Gepäck aus der Hand reißen. 80.000 Dong, sagt er und jetzt reicht es mir. Ich schreie ihn an, dass er auf der Stelle verschwinden soll und wir garantiert in keinen seiner Wagen einsteigen werden. Als ein weiterer Wagen kommt, folge ich ihm einfach, so lange bis wir aus der Sichtweite des Mafiosos sind und das Taxi endlich anhält. Eilig winke ich André und die beiden Frauen zu mir und endlich können wir unbehelligt in den Wagen steigen, der uns zügig durch die leeren Straßen Hanois zum Hotel fährt. Kathy und Jeanne haben uns netterweise noch angeboten, in ihrer Hotellobby zu warten, bis die ersten Geschäfte und Coffeeshops öffnen und so sitzen wir die letzten Stunden unserer Tour noch zusammen, tauschen Mailadressen und die Reisepläne der kommenden Tage aus und sind traurig, uns schon wieder voneinander verabschieden zu müssen. Gefühlt kamen uns die beiden Tage wie Wochen vor und nach all den intensiven und langen Gesprächen ist es, als würden wir die Beiden schon eine Ewigkeit kennen. Nach einer herzlichen gegenseitigen Einladung nach Dallas bzw. Dresden trennen sich dann leider unsere Wege – zu gerne wären wir noch ein paar Tage mehr zusammen gereist. Aber so ist es nun mal auf einer Weltreise.

 

Noch mehr der schönsten Impressionen aus Sapa findet ihr hier.

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Kommentare: 2
  • #1

    Jonas (Freitag, 25 März 2011 18:20)

    Hey ihr Beiden,

    das klingt ja spannend bei euch. Passt nur gut auf, aber ihr scheint eine gute Taktik zu verfolgen. Ist wie mit Jackson hier: wer am längsten stur ist, hat gewonnen.
    Und am Ende helfen ein paar ursächsische Sätze immer weiter: "Boar, hallloooo du Vochel, biste ni ganz reeene im Schädel? S' gladdschd glei, abor keen Beifall!" Dann ist selbst der größte Taxi-Mafiosi sprachlos.

    Im Ernst: Seid wachsam, Dynamo braucht euch.

    In dem Sinne!
    Jonas, Christin und Jackson

  • #2

    Siggi (Montag, 11 April 2011 22:42)

    Hallo Ihr Weltreisenden,
    na bei Euren vielen Bekannschaften könnt Ihr ja bald ein eigenes kleines Dresden-Hotel für Eure Freunde aus aller Welt eröffnen - wär das nicht auch ein möglicher Job??
    Seid weiter frohen Mutes
    grüßt Euch Siggi