Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist ….

Okay, nach dem wir nun bereits 3 Nachtfahrten im Zug in Vietnam hinter uns gebracht haben und alle mehr oder weniger erträglich waren, dachten wir: Boah, was sind schon läppische 2 Stunden von Hue nach Da Nang bei Tag? Ein bisschen lesen, aus dem Fenster schauen, sich der Landschaft erfreuen… Aber weit gefehlt! Immer dann, wenn man denkt, es kann eigentlich nicht mehr schlimmer gehen, dann schafft es Vietnam doch, dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen. Vielleicht sollte das Ganze auch schon mal eine Hardcore-Probe für Indien werden. Ich weiß es nicht. Fakt ist, wir haben noch nie in unserem Leben zwei derartige Stunden in einem Zug verbracht. Aber fangen wir am besten von vorne an. Bereits bei unserer Ankunft in Hue hatten wir gleich in vermeintlich weißer Voraussicht, die Zugtickets nach Da Nang gebucht. Bei der Auslastung und dem letzten Nachtzug von Hanoi, erschien uns das nur sinnvoll und so trafen wir also am heutigen Morgen pünktlich zur Abfahrt am Bahnhof in Hue ein. Die Wartehalle wie immer proppenvoll mit vietnamesisch-bunt-gewürfelten Einheimischen, dazwischen ein paar wenige Backpacker wie Rosinen im Rohkostsalat. Planmäßig hätte um 10:50 Abfahrt sein sollen, irgendwann war es 11:30, jedoch immernoch kein Zug weit und breit zu sehen. Wobei ich fairerweise sagen muss, dass in Vietnam eigentlich alle pünktlich sind, daher waren wir hier schon etwas verwundert. Als der Zug dann tatsächlich einfuhr, begann die übliche Rennerei. Viets mit riesigen Kisten stürmten die Eingänge der einzelnen Waggons. Das Motto „Erst raus, dann rein“ kennt hier keiner, Aussteigende werden einfach beiseite gedrängelt oder kurzerhand mit dem eigenen Gepäck wieder ins Abteil hineingedrückt. Zu unserem Glück war an unserem Waggon eine zweite Tür aufgeschlossen und ehe wir uns versahen, wollte man auch uns abdrängen. Offensichtlich halten die Züge hier nur eine bestimmte kurze Zeit, egal ob es alle hinein oder hinaus schaffen. Aber nicht mit uns! Wir haben gleich mal zurückgedrängelt. In Vietnam muss man sich wehren, wenn man sich alles gefallen lässt, steht man als Touri echt dumm da! Da hilft nur eines: Die gute Erziehung über Bord werfen und zum Tier mutieren. Gesagt, getan und so standen wir zumindest kurze Zeit später im Abteil. Immerhin hatten wir Platzkarten, der gesamte Zug war nämlich proppenvoll. Mit uns im Abteil ca. 6 weitere Traveller plus weitere 50 Einheimische, inklusive plärrende Kinder. Auf dem Boden der Müll der vergangenen Nacht, inkl. Hühnchenknochen, Altflaschen, Spuckefäden. Auf den Sitzen zugekleckerte Bezüge und alte Decken. Bloß nicht mit der Haut in Berührung kommen, war mein erster Gedanke. Und ja nichts mit den Fingern anfassen. Um uns herum, Alte, barfuß, die schmatzend ihre Instant-Nudelsuppe in sich hineinschlürften. Eine Mutter mit 3 Kindern, die schon als Babys offensichtlich entweder an Reizblasen- oder Reizdarmsyndrom litten – sie mussten nämlich permanent auf`s Klo. 

Wat mut, dat mut - da wird das Zugabteil schon mal mit Töpfchen zum Klo umfunktioniert
Wat mut, dat mut - da wird das Zugabteil schon mal mit Töpfchen zum Klo umfunktioniert

Und wie macht man das als Mutter, wenn man 3 Kinder hat, eines mal muss und man die anderen jedoch nicht aus den Augen lassen will? Genau, man bringt ein Töpfchen mit und lässt die Kinder ihr Geschäft einfach im Abteil verrichten! Ich war kurz davor, das leckere Frühstück in den Gang zu kotzen – doch das hätte den Geruch auch nur noch schlimmer gemacht. Nicht genug, dass im Abteil geraucht wurde und irgendwer neben der Klima mit Gas hantierte – es stank mächtig gewaltig. Fassungslos saß ich also auf meinem Sitz, auf der äußersten Kante wohlgemerkt und versuchte Andrés Worte zu verinnerlichen: „Lerne das zu akzeptieren, was Du nicht ändern kannst.“ Also tief durchatmen und, wie Tommy Jaud immer so schön sagt, auf Gemüsemodus schalten, sprich, alles andere ausblenden. Nur 2 Stunden, nur 2 Stunden, unser Mantra. Wenn das noch der teure Zug für immerhin 56.000 Dong die Strecke war, wie sollte es dann in den noch günstigeren Zügen geschweige denn in den öffentlichen Bussen zugehen? „Gesellschaftsstudie“ nennt es der Lonely Planet. Und tatsächlich, die Einheimischen zu beobachten, war ein Kapitel für sich. Da wird in der Nase gebohrt, mit dem Zahnstocher die Reste der vergangenen Woche aus den fast-schwarzen Zähnen gepult (warum sich jetzt noch die Mühe machen, frage ich mich), da wird gerotzt und gehustet, geschnarcht und geglotzt. Und wir mittendrin. „Na, vielleicht doch einen Kaffee, Tee oder ein Hühnerbein“ kommt der Bordservice durch den Waggon. Irgendwann mussten wir dann beide nur noch lachen. Mit Humor erträgt sich alles gleich viel leichter. 2 Stunden später waren wir endlich da. Ich war noch nie so erleichtert, aus dem Zug auszusteigen. Was für eine Fahrt! Es fehlten wirklich nur noch die gackernden Hühner im Gang…

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Kommentare: 2
  • #1

    Striegler`s (Samstag, 26 März 2011 13:23)

    Hoffentlich reicht Yvonne`s Medizin bis zum Ende Eurer Reise.
    Ich an Eurer Stelle würde ja schon vor Beginn eines Ausfluges ein "keimabtötendes Verfahren" für die inneren Organe einleiten.

    Aber wiedermal haben wir herzlich lachen müssen, was nicht zuletzt an Jana`s Wortwahl liegt.

    Wir haben Euch lieb und drücken die Daumen, daß die nächste Zugfahrt angenhmer verläuft.

    Vati und Mum

  • #2

    Sven (Montag, 28 März 2011 10:28)

    Also solche Zugverspätungen sind in Deutschland auch nicht unüblich bei der Deutschen Bahn und stinkende Abteile voll mit Leuten mit seltsamen Verhaltensweisen erinnern mich an eine Fehrt mit der Straßenbahn. Von daher würd ich das nicht so verbissen sehn. So viel besser ist's in der Heimat auch nicht immer. Zumal man in solchen Ländern halt keinen "deutschen Standard" erwarten kann. Wer weiß was euch da noch in Indien erwartet ;)