Namaste – Ich grüße das Göttliche in Dir!

Nein, wir sind noch nicht in Indien. Dafür aber in dem kleinen unscheinbaren Land oben drüber, Nepal.

Das meist so völlig untergeht und maximal bezüglich schwieriger Trekkingtouren im Fokus von Reisenden steht. Sehr zu Unrecht, finden wir. Denn Nepal hat viel mehr zu bieten, als die Annapurna-Umrundung und das Everest-Basecamp. Nepal ist einfach unglaublich. Die perfekte Mischung aus Kultur, Religion, Natur und faszinierenden Menschen. Noch nie haben wir so einen spirituellen Ort besucht, noch nie so viele mit Hingabe gläubige Menschen gesehen.

Om...
Om...

Nach dem wir uns nach ausgiebiger Recherche dafür entschieden haben, Nepal mit eigenem Fahrer auf einer geführten Privatrundreise zu erleben, können wir uns nur immer wieder zu unserer Entscheidung beglückwünschen. Alleine die örtlichen Gegebenheiten (Verkehr, Straßenzustand, Beschilderung, öffentliche Verkehrsmittel) hätten uns sicher viel Zeit und Nerven geraubt. Aber so können wir dieses beeindruckende Land ganz entspannt erkunden. Dank der hervorragenden Organisation unseres kleinen Veranstalters, werden wir jeden Morgen pünktlich am Hotel abgeholt und abends wieder abgesetzt. Dazwischen ein Highlight am anderen. Tempel, Stupas, Pagoden, Paläste – Orte, wie Patan, Bhaktapur und die Altstadt von Kathmandu mit ihren Durbar Squares geben einem das Gefühl, in die Geschichte einzutauchen. Die üppigen Gebäude in den 3 für Nepal typischen Bauarten wurden hauptsächlich zwischen dem 14. und 18 Jahrhundert errichtet und zählen heute zu den UNESCO Weltkulturerbestätten. Dazu die farbenfrohe Mischung der vielen in bunte Saris gehüllten indischen Frauen, den Wanderheiligen (Sadhus) und der fröhlichen Kinder, machen Nepal zu einem ganz besonderen Ort.

Durbar Square in Patan
Durbar Square in Patan

Sofort haben wir uns wohl gefühlt, auch wenn es im Hotel 12 Stunden am Tag keinen Strom und meistens auch kein warmes Wasser gibt. Für dieses Land nimmt man das gerne in Kauf. Nepal ist nach Brasilien das wasserreichste Land der Welt – trotzdem gelingt es aufgrund der andauernden schwierigen politischen Lage und der ständig wechselnden Regierung nicht, Investoren für Stromerzeugung anzuziehen. Nepal ist auch ein Ort der Widersprüche. Die Menschen auf dem Land sind reicher als in der Stadt, das Kathmandu-Tal ist so fruchtbar, das ganze Familien ausschließlich von eigenen Produkten aus der Landwirtschaft leben können. Und der Überschuss wird auf den Märkten verkauft. Dagegen wird die Stadt überschwemmt von Müll, die Flüsse sind voll von Abwässern und Unrat, Menschen sitzen am Straßenrand und sortieren Abfall, um sich Brauchbares herauszufischen, daneben werden neue Gebäude errichtet, die Eigentumswohnungen für schlappe 120.000 € beherbergen werden. Es gibt zwar eine städtische Müllabfuhr, jedoch noch kein Recycling-System. Vieles steckt noch in den Kinderschuhen. Und trotzdem wächst die Bevölkerung unaufhörlich. Viele Inder kommen nach Nepal, versprechen sich hier ein besseres Leben als Schuhmacher, Schmied oder Friseur. Alleine das Kathmandu-Tal fasst jetzt bereits 1,5 Millionen Einwohner. Die Städte Kathmandu, Patan und Bakthapur verschmilzen miteinander, Bauen boomt.

Alleine Kathmandu hat bereits 700.000 Einwohner
Alleine Kathmandu hat bereits 700.000 Einwohner

Daneben diese unglaublich gläubigen Menschen, die vielen Klöster. In Nepal ist es Pflicht, dass Familien mit 3 Söhnen den mittleren in ein Kloster schicken müssen. Dort wird er zum Mönch ausgebildet, bis zur Pubertät, dann kann er entscheiden, ob er gehen und eine Familie haben oder bleiben möchte. Die Kinder beginnen so bereits mit 4 Jahren den Unterricht. Diese Mischung aus Buddhismus und Hinduismus ist so besonders. In Nepal gibt es 33 Millionen verschiedene Gottheiten, dazu weitere Halbgötter. Manche Gläubige kennen jede einzelne mit Namen. Überall hängen Bilder von Reinkarnationen in verschiedenen Gestalten. Die alten Häuser und Pagoden sind geschmückt mit aufwendigsten Holzschnitzereien der Gottheiten. Der Glaube ist allgegenwärtig. Alleine die Stupas, das Sinnbild für Nepal mit ihren weißen Kuppen und den allsehenden Augen Buddhas (linkes Auge: Mitleid, rechtes Auge: glücklich, drittes Auge: Weisheit und die Nase ist dem Alphabet der Newaris entnommen und bedeutet "eins"), umweht von tausenden Gebetsfahnen (blau für den Himmel, weiß für die Wolken und die Reinheit, rot für das Feuerelement, grün für das Wasserelement und gelb für das Erdelement), dem Gesang der Mantras (OM Mani Padme Hum – das wohl bekannteste und am häufigsten rezitierte Mantra des Avalokiteshvara, des Buddhas des Mitgefühls. Übersetzt lautet es etwa: "Kleinod in der Lotosblüte") und dem Duft der Räucherstäbchen. Im Uhrzeigersinn muss man die Stupas umrunden, an den Gebetsmühlen drehen. Dabei immer eine unrunde Anzahl berücksichtigen.

Boudhanath - die zweitgrößte Stupa der Welt
Boudhanath - die zweitgrößte Stupa der Welt

Es gibt so viel zu lernen. Jedes Lebewesen ist heilig. Tauben werden gefüttert, Affen sind Stammgäste in den Tempeln und nicht zu vergessen die Kühe, die überall frei herumlaufen (gerne auch während der Rush-Hour auf der Hauptverkehrsstraße). Denn jedes Tier, egal ob Regenwurm, Ratte oder Hausschwein könnte die Reinkarnation eines verstorbenen Verwandten sein. Buddhisten und Hindus leben so in der Regel streng vegetarisch. So ist auch das Sterben in Nepal keine traurige Sache, da fest davon ausgegangen wird, dass man sowieso wiedergeboren wird. 7 Stufen gibt es bis zur Erleuchtung (Achtsamkeit, Weisheit, Tatkraft, Freude, Beweglichkeit, Konzentration und Gleichmut), während der jeweiligen Lebenszeit sammelt man Karma-Punkte, je nach dem was für ein guter Mensch man war, darf man sich darauf freuen, in einer höheren Stufe wiedergeboren zu werden. Die Bestattungen sind so eine feierliche Zeremonie, bei der nicht nur Familienangehörige anwesend sind. Im Pashupatinath, dem größten hinduistischen Heiligtums Nepals (hier wird der Gott Shiva als Herr alles Lebendigen verehrt), finden die Bestattungen am Bagmati Fluss statt. Die, die es sich leisten können, treten hier ihre letzte Reise an. Man sagt, wer hier bestattet wird, gelangt auf direktem Weg zur Erleuchtung, ins Nirvana, da das Wasser des Flusses heilig ist. Auf einzelnen Steinaltären werden Scheiterhaufen errichtet. Bevor der Leichnam auf den Scheiterhaufen gelegt wird, wird er zuerst noch in den Fluss getaucht, bzw. mit dem Wasser bespritzt. Nachdem der Leichnam auf den Scheiterhaufen gelegt wurde, wird er vom Brahmanen noch einmal mit Holz und Stroh bedeckt. Danach umschreiten die Verwandten den Leichnam fünfmal im Uhrzeigersinn als Zeichen für die fünf Elemente Wasser, Erde, Licht, Luft und Äther. Dem ältesten Sohn fällt anschließend die Aufgabe zu, den Scheiterhaufen anzuzünden. Er legt dazu in einem feierlichen Akt eine brennende Fackel auf den Mund des Toten. Nach dem der Leichnam vollständig verbrannt ist, wird die Asche dem Fluss übergeben. Als wir nach Pashupatinath kommen, haben sich bereits hunderte Schaulustige um den Fluss herum eingefunden und auch wir werden Zeugen unserer ersten Leichen-Verbrennung. Der Rauch weht bis zu uns herüber und ich muss mich abwenden, als der Tote Feuer fängt. Noch lange habe ich sein Gesicht vor Augen.

Totenverbrennung am Bagmati (Quelle: Internet)
Totenverbrennung am Bagmati (Quelle: Internet)

Zurück zu den heiligen Tieren, die dagegen durchaus geopfert werden. In einem Tempel, eine Autostunde von Kathmandu entfernt, findet jeden Dienstag und Samstag ein großes Opferfest zu Ehren der Göttin Kali statt. Dakshin Kali gehört zu den bedeutendsten hinduistischen Opferstätten des Kathmandutales. An den Hauptopferungstagen pilgern so Scharen von Hindus in ihren festlichsten Gewändern dahin um Kali durch ein Blutopfer milde zu stimmen. Sie lassen sich segnen, waschen sich mit heiligem Wasser und bringen Opfergaben, von Obst über Blumen bis hin zu Hähnen und ganzen Ziegen. Das Bild ist gewöhnungsbedürftig, Menschen die Schlange stehen, um ein Tier sterben zu sehen. Der Schlachter macht es kurz und schmerzlos: Wie am Fließband nimmt er den Kopf des Tieres zurück und schneidet ihm binnen wenigen Sekunden den Hals durch, bis das Blut auf das Kultbild Kalis spritzt. Den Körper bekommt die Familie gereinigt wieder mit, als Festessen. Der Kopf verbleibt als Opfergabe im Tempel. Geschockt muss ich mich abwenden, das Frühstück macht sich bemerkbar. Doch das gehört ebenfalls zur Religion. Tiere symbolisieren auch die menschlichen Eigenschaften und Schwächen. Eine Ente zum Beispiel Faulheit, eine Ziege sexuelle Begierde. Opfert man ein Tier, soll die Schwäche so von einem genommen werden.

Segnung im Dakshin Kali
Segnung im Dakshin Kali

Dann lassen wir uns doch lieber wieder durch die Altstadtgassen in Kathmandu treiben. Überall bunte Teppiche und Gebetsketten. Eine Hommage an zerfurchte, verlebte Gesichter, die Geschichten erzählen. Geschminkte Kinder als Schutz vor bösen Geistern und Hexen. Mitunter sind wir hier die Besonderheit, man bittet uns freundlich um ein Foto. Das geschieht dann ganz feierlich, wie bei einer Art Staatsbesuch eines Politikers. Mit Händeschütteln und formellem Blick. Überall ein freundliches Namastee. In einem ganz besonderen kleinen Lokal um die Ecke unseres Hotels können wir all die kulinarischen Köstlichkeiten, die Nepal zu bieten hat, verkosten. Angefangen von Momos (Teigtaschen gefüllt mit Yak-, Hühnchenfleisch oder Gemüse), ganz klassisch Dal (Linseneintopf) oder Paneer (frittierter Hüttenkäse). Dazu gibt es Reiswein in Mengen, der es so in sich hat, dass schon ein winziger Schluck einem einen wohligen Drehwurm im Kopf verursacht. Dazu einheimische Tänze, wir sollen mittanzen und finden uns inmitten bunter Kostüme und freudigen Nepalesinnen, springen beschwipst von einem Bein auf`s andere und staunen über die Geschwindigkeit der wechselnden Choreografien.

Alte Frau in Kathmandu
Alte Frau in Kathmandu

Und last but not least sind da natürlich die Berge. Schon die Fahrt raus aus der staubigen Stadt ein Erlebnis: Die Straßen auf dem Land voller Kühe und bunter Trachten. Menschen sitzen vor ihren Häusern, Frauen stricken, Busse, vollbesetzt bis zum Dach kommen uns entgegen. Die winzige Stadt Nagarkot, im Nordosten von Kathmandu, eingebettet in terrassenförmige grüne Hügel, im Rücken den Himalaya. Wer wird nicht schwach, wenn er im Licht der aufgehenden Sonne die Gipfel sieht, unseren ersten Achttausender, der daliegt, wie hingegossen, getaucht in goldgelbe Farbe mit einer weißen Kuppe. Da wird man plötzlich ganz klein, findet sich wieder der gnadenlosen gigantischen Wucht der Natur ausgesetzt. 1,60 gegenüber 8.000 Metern???

Sonnenaufgang über Nagarkot - über den Wolken der Himalaya
Sonnenaufgang über Nagarkot - über den Wolken der Himalaya

Nepal ist viel mehr als Worte, und da Bilder dieses Land am besten beschreiben können, heute eine besonders große Bildergalerie unserer ersten Woche. Seht es mir nach, aber Nepal ist eine einzige Fundgrube an traumhaften Fotomotiven. Ich liebe jedes einzelne Foto.

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Kommentare: 3
  • #1

    christin (Donnerstag, 07 April 2011 21:14)

    ich liebe deine fotos auch janamaus. wirklich traumhaft.
    und die menschen sehen alle so freundlich aus.
    ich hoffe ihr habt noch viele schöne stunden

    in indien solltet ihr keine karten in die briefkästen der post stecken, da die briefträger sich die briefmarken abmachen und weiterverkaufen. ach und strom gibts da auch nicht immer an allen tagen der woche für jeden :-) außerdem haben die dort auch mengen von affen. man erkennt irgendwie parallelen zu indien... mein kollege war dort gerade 3 wochen. falls euer reiseführer nichts mehr hergibt, kriegt ihr aus der heimat tipps für indien :-)

  • #2

    Sylvia (Donnerstag, 07 April 2011 22:40)

    Ganz tolle Bilder! Ich weiß warum Du Nepal so toll fandest. So viele Menschen wie dort konntest Du sicher in keinem anderen Land fotografieren.

  • #3

    Leila (Freitag, 16 Dezember 2011 11:51)

    Ein toller Bericht! Auf diese Weise kann man doch einiges über das Land dort erfahren. Nur schade, dass das Thema Müll noch immer nicht dort so geregelt ist, dass es vernünftig läuft. Aber auch da wird sich in der Zukunft sicherlich mal etwas ändern.