Blau, blau, blau, blüht der Enzian…

…und sind die Fassaden von Jodhpur, nicht umsonst „Die blaue Stadt“ genannt. Was ursprünglich zum Schutz gegen Termiten gedacht war (die Beimischung von Indigo zur Kalktünche für die Fassaden), ist heute das Markenzeichen der Stadt. Jodhpur ist das krasse Gegenteil vom verträumten Jaisalmer. Typisch Indien: hupende Autos, klingelnde Rikschas, knatternde Motorroller und dazwischen, na klar, muhende Kühe. Unser Hotel, wieder ein alter Heritage-Palast wurde frisch renoviert und liegt mitten in der von einer riesigen Festungsmauer umgebenen Altstadt. Man kann noch die Farbe riechen, wenn man durch die säulenbestückten Gänge wandelt und die Zimmer sind, wie in den alten Palästen üblich, eher düster und mit Antiquitäten vollgestopft. Oberhaupt des Hotels ist der alte Abdul Shakoor, der jeden Tag, anscheinend 24 Stunden lang, direkt rechts neben dem Eingang auf einem thronähnlichen roten Samtsessel hockt und nur darauf lauert, sich auf ahnungslose nette Touristen zu stürzen, wie wir es sind, um denen dann in einem stundenlangen Monolog die Geschichte der Restaurierung des Hotels nahe zu bringen, inkl. mehreren umfangreichen Fotomappen, die man durchblättern muss. Ach ja, und da wir Deutsch sind, dürfen wir gleich noch sämtliche deutsche Einträge aus dem Gästebuch für ihn übersetzen, was so um die 20 sind.

Die "blaue" Stadt
Die "blaue" Stadt

Vor unserem Hotel spielen Straßenkinder Kricket und ein paar vereinzelte Herren der älteren Generation Carrom, das in diesen Breitengeraden sehr beliebte Brettspiel . Dazu sitzen 4 Personen um ein großes Spielbrett aus Holz und schnipsen runde Holzstücke mit den Fingern in kleine Löcher. Eigentlich wie Billard, nur als kleine Tischspielvariante. Vom Hotel sind es nur 10 Minuten bis zum örtlichen Basar am Uhrturm, einem der weiteren Wahrzeichen der Stadt. Wer jetzt romantische Vorstellungen ähnlich eines orientalischen Marktes vor Augen hat, den müssen wir eher enttäuschen. Hier hat die Moderne (oder soll ich eher sagen der Ramschkönig?) Einzug gehalten. Dutzende Stände mit Plasteschüsseln, billigem Schmuck, alten Socken und Schuhen sowie Kleiderhaufen, die eher der Kleiderspende entsprungen scheinen, bieten ihre Waren lautstark feil, und das via Megafon, plärrend und erbarmungslos. Zum Glück führt uns Ajay ein paar Straßen weiter, hier ist es ruhiger und wir können das alte Handwerk bestaunen: Korbflechter, Töpfer und… das besondere Jodhpurs, Gewürzhändler. Hier werde ich auch endlich fündig und erstehe die originale Gewürzmischung meines geliebten Masala Chais! Seit dem wir in Nepal eingetroffen sind, bin ich ihm hoffnungslos verfallen, dem süßen indischen mit Milch gekochten Gewürztee. Ich trinke ihn bei jeder Gelegenheit und, wer mich kennt, wird sich wundern: Ich trinke die Tassen immer aus! Sonst, ich weiß, es ist eine doofe Angewohnheit, meine Mutti wird jetzt schmunzeln, bleibt bei mir immer ein kleiner Rest im Glas, Becher, Pott – egal was ich auch trinke. Nicht so bei meinem Masala Chai. Da sind 4 Tassen binnen 5 Minuten leer getrunken. Der Geschmack aus schwarzem Tee mit Milch, versetzt mit Nelken, Koriander, Zimt und Inger ist einfach wunderbar. Und egal wie heiß es draußen auch ist, der Tee ist immer erfrischend. Und in Jodhpur ist es heiß! Die Stadt ist nur auf Steinen gebaut und diese heizen sich erbarmungslos im gleißenden Licht der Sonne auf und strahlen noch die ganze Nacht Hitze ab.

Markttreiben um den Clock Tower
Markttreiben um den Clock Tower

Und weil wir schließlich die All-Inclusive-Forts & Palaces Tour mit Ajay gebucht haben ;-) und weil uns noch nicht heiß genug in der Mittagssonne ist, steht natürlich auch das Meherangarh Fort auf unserem Programm, die Festungsanlage in Rajasthan schlechthin. Uneinnehmbar thront sie mit ihren mächtigen Befestigungsmauern über Jodhpur und der Aufstieg ist bei  45° mühsam und kräftezehrend. Im Gegensatz zu Jaisalmer ist das Meherangarh Fort unbewohnt und beinhaltet lediglich ein größeres Museum, welches mit der ersten Audioguidetour Rajasthans wunderbar besichtigt werden kann. Am massiven Eingangstor spielen Gaukler altertümliche Musik und die Handabdrücke der Witwen des Maharajas Man Singh zeugen vom rituellen Selbstmord 1843, als sie sich selbst lebendig mit auf dem Scheiterhaufen ihres verstorbenen Ehemannes verbrennen ließen – ein grausamer Brauch, der sogenannte Sati wird zum Teil sogar noch heute praktiziert. Im Fort selbst bekommen wir eine kurze Einweisung in die Technik des Turban-Bindens (wusstet ihr, dass man an der Art und Weise des gebundenen Turbans die Herkunft eines Mannes erkennen kann?). So gibt es für jede Stadt einen ganz eigenen Stil, in der das riesige Stoffband um den Kopf gewickelt wird. Besonders schön im Fort ist der Ausblick von einem der Balkone – von hier oben kann man die „blaue“ Stadt erst richtig erkennen – außerdem sind die Dachgärten herrlich, durch die Flachdächer überall bietet sich zusätzlicher Stauraum in den Häusern, der nicht nur zum Wäsche trocknen genutzt wird. Ansonsten gibt es das übliche zu sehen: Waffen, Sänften, spiegelverzierte Schlafgemächer und Audienzhallen. Dennoch kann das Fort im Inneren kaum an das wundervoll üppige in Bikaner heranreichen, welches wir bereits am 3. Tag unserer Rajasthan-Tour besichtigt haben.

Fassade des Meherangarh Forts
Fassade des Meherangarh Forts

Umso beeindruckender ist das dem Fort gegenüberliegende Grabmal Jaswant Thada, ein regelrechter Palast, in dem der Maharaja Jaswant Singh seine letzte Ruhe gefunden hat. Das Grab ist umgeben von einem fantastischen riesigen Garten, in dem Seerosenteiche angelegt sind und zahlreiche Sträucher blühen. Mit uns vor Ort ist eine ca. 20-köpfige indische Familie, die uns schon von Weitem neugierig betrachtet. Fünf Minuten später stehen wir von allen umringt und machen witzige Gruppenfotos auf den weißen Stufen, als wären wir die heimgekehrte Verwandtschaft aus dem fernen Westen. Das lieben wir so an Indien. Seine einzigartig freundlichen und herzlichen Menschen.

Indische Großfamilie ;-)
Indische Großfamilie ;-)

Eine kleine Auswahl weiterer Bilder aus Jodhpur findet ihr hier.

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