Mister Brain und Schlingeline gefangen im goldenen Dreieck

Auf meinem Kopf kann man Spiegeleier braten. Es ist 12 Uhr mittags, die Sonne steht direkt über uns im Zenit und wir laufen vom Parkplatz zum Fort von Fatehpur Sikri. Der Touri-Bus, der uns eigentlich für 10 Rupies zum Eingang hätte bringen sollen, ist uns direkt vor der Nase weggefahren und angesichts der hunderten Souvenirkäufer, die uns umgeben wie lästige Fliegen, haben wir lieber gleich die Flucht ergriffen und laufen die knapp 500 Meter. Natürlich immer begleitet von ca. 10 nervtötenden jungen Männern, die uns pausenlos mit „Where are you from?“ bestürmen. Es ist immer dieselbe Leier. Erst fragen sie einen, woher man kommt und wenn man darauf antwortet, kramen sie stolz ihre 5 Brocken Deutsch hervor. Das mag bei einem noch ganz lustig sein, aber nicht bei Hunderten. Ja, ja, I come from the country behind the sieben Bergen with the sieben Zwergen. Wir haben wirklich alles versucht. Ignorieren, zurückfragen, schneller weitergehen, nichts hilft. Sie akzeptieren kein Nein. Je schroffer man antwortet, desto näher rücken sie einem auf die Pelle. „Hello, hello, hello, Madam. Hello Sir. Very cheap. Please.“ Das geht dann bis zum Angrabbeln, und da hört selbst bei mir die Geduld auf. In Pushkar gab es folgendes witziges T-Shirt:

Ein hilfreiches T-Shirt für Indien
Ein hilfreiches T-Shirt für Indien

Dieses hätten wir uns wohl zulegen sollen. Ich erinnere mich zurück an Hong Kong und im Nachgang kommen mir die Schneider und Uhrenverkäufer dort ausgesprochen rücksichtsvoll vor. Wir haben Ajay gefragt, warum das Dreieck Delhi, Jaipur, Agra als Golden bezeichnet wird. Er konnte es uns nicht sagen, aber jetzt wird uns klar, dass hier für Souvenirverkäufer goldene Zeiten herrschen. Bei der Anzahl an Pauschaltouristen, die hier durchwalzen??? Waren in Jaisalmer und Udaipur noch eher vereinzelt Touristen unterwegs, brummt hier die Branche. Reisende aus aller Welt werden in Scharen in riesigen klimatisierten Reisebussen von Delhi hierher gekarrt, na klar wittern da die Einheimischen ihr großes Geschäft. Ganz bizarr wird es dann, wenn ein besonders großer Bus anrollt und 15 Männer zum Rennen ansetzen, um sich den Insassen als Guide anzubieten. Ja ja, das ist dann direkt wieder wie in Sapa, Vietnam, mit den Black Hmongs.

Dieser alten Frau waren 7 Rupies für ein Foto tatsächlich zu wenig
Dieser alten Frau waren 7 Rupies für ein Foto tatsächlich zu wenig

Am schlimmsten sind die Kinder. Unablässig ziehen sie an den Sachen, als würde man ihnen dadurch plötzlich doch Aufmerksamkeit schenken, wenn man sie vorher 5 Minuten ignoriert hat. Ajay sagt folgendes: Auch wenn wir mit all unserer Reiseerfahrung 100% aller Tricks kennen, die Souvenirverkäufer kennen garantiert 101%. Und tatsächlich. In jeder neuen Stadt gibt es einen neuen Trick. Ein kleiner Junge zum Beispiel fragt uns schüchtern, ob wir ihm einen Euro in Rupies wechseln, er könne mit unserer Währung nichts anfangen. Klar sind wir so nett. Kein Problem. Nur wissen wir, dass er den nächsten Europäer erst anbettelt, ob dieser ihm einen Euro gibt, mit der Begründung, er würde ausländische Münzen sammeln. Das wiederum haben wir nämlich selbst schon auf früheren Reisestationen erlebt. Und nach dem hundertsten Ali Baba, den wir im Fort getroffen haben, wollen wir am liebsten auch nur noch die 40 Räubern um Hilfe rufen. Richtig schlimm wird es, wenn zwei verloddert aussehende Kleinkinder vor einem stehen und sich hungrig über ihre Mägen streichen und mit den Augen gierig nach unserer Cola-Flasche schielen. Dann geraten Herz und Verstand regelmäßig aneinander und dunkle Wolken werfen düstere Schatten auf die goldenen Zeiten.

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