Voll aggro in Agra

Die indische Bürokratie ist doch wirklich zum Haare raufen. Nach dem wir ja bereits in Deutschland mit dem Beantragen des Visas beinahe an die Grenzen unserer Geduld gelangt sind, setzt sich diese ganze Sesselpupserei und Prinzipienreiterei hier unverändert fort. Da kommt mir direkt ein alter Beamten-Kalauer in den Sinn (mögen es mir die Beamten unter unseren Lesern nachsehen): Warum benutzen Beamte grundsätzlich 3-lagiges Toilettenpapier? Weil sie für jeden Sch… zwei Durchschläge brauchen. Ha ha. Heute jedenfalls waren wir auf dem Postamt, um unsere gesammelten Postkartenwerke aufzugeben (man darf die nämlich nicht in den Briefkasten werfen, weil sonst die Postboten angeblich die Marken ausschneiden und weiterverkaufen und die Karten so in der Versenkung verschwinden. Riet man uns.) Also steuerten wir direkt das zentrale Postamt in Agra an. Ich sage nur eins: Ein Hühnerstall ist nichts dagegen. Dass die Inder nicht gerade systematisch arbeiten, war uns ja schon bekannt. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Da standen dutzende Schreibtische wahllos durcheinander in einem riesigen Raum. Offensichtlich herrschte Selbstbedienung, denn wir traten direkt an einen Mitarbeiter heran, der uns die Marken aus einem alten Schieberchen seines noch älteren Sektretärs kramte. Uns gegenüber, auf der anderen Seite der Tische war eine lange Theke, hinter der sich hunderte Inder drängten, die alle mehrere Geldscheine in den Händen hielten. Und was sollte das bedeuten? Nach dem wir die Marken auf die Karten geklebt hatten, ging es zum nächsten Sachbearbeiter. Der wiederum quälte sich aus seinem Stuhl, durchsuchte seinen vermüllten Spind und förderte einen antiken Stempel zu Tage, mit dem er die Marken entwertete. Leider hatten wir auf einer Karte die genaue Adresse noch nicht vermerkt, dies wollte ich später im Hotel nachholen. Nun war aber schon die Marke entwertet und das bedeutete, ich durfte die Karte nicht mehr in die Hände bekommen, geschweige denn mit dieser gefährlichen Karte das Postamt verlassen. Au weia. Was könnte man denn damit bloß Schlimmes anstellen? Das einzige, wahrhaftige Siegel fälschen? Ich merkte schon, wie mein Blut anfing in Wallung zu geraten. Was angesichts der Situation Touristin versus indischem Beamten wohl eher keine gute Idee war. Also versuchen, ruhig durchzuatmen und die fehlende Adresse zu Hause telefonisch zu erfragen. Gesagt getan und nach einigem Hin und Her konnte ich die fehlende Straße auf der besagten Karte nachtragen und sie nun endgültig aufgeben. Sehnsüchtig sah ich ihr nach, wie sie in einem der tausend verschiedenen Fächer verschwand, in einem urigen Holzregal, versehen mit Nummern. Ihr Lieben, falls sich der Beamte jedoch durch meine unwirsche Art etwas auf den Schlips getreten gefühlt hat, kann es nun durchaus sein, dass er sämtliche Karten vor lauter Wut im nächsten Mülleimer versenkt hat. Ajay hat zwar geschworen, dass das nicht passieren würde und man denjenigen Mitarbeiter dann dafür haftbar machen würde, aber wie bitte soll das im Nachhinein geschehen? Wir werden bestimmt nicht nach 6 Monaten, wenn unsere Karten immernoch nicht angekommen sind, zurück nach Indien fliegen, nach Agra fahren und uns den Kollegen zur Brust nehmen. Wir werden es also sehen. Drückt die Daumen!

 

Das nächste Malheur passierte uns im Restaurant des Hotels. Nach dem wir uns zwei ordentliche Portionen Pasta und diverse Getränke einverleibt hatten, orderten wir die Rechnung, welche uns zugegebenermaßen die Tränen in die Augen trieb. Zehn Euro für ein Mittagessen in Indien hatten wir bisher noch nicht ausgegeben. Aber gut, dafür liegt unser Hotel nun mal sehr zentral am Taj Mahal. Als der Kellner André dann jedoch auch noch freundlich aber bestimmt darauf hinwies, dass im Betrag noch keine Service-Charge enthalten sei, wurden unsere Gesichter immer länger. Okay, dann halt großzügig aufrunden, immerhin waren die Tischdecken in der Lokalität zur Abwechslung mal fleckenfrei. Die 15 Rupies schienen dem Kellner dann aber noch nicht einmal genug, er bemerkte unmissverständlich, die Gebühr betrage 10% der gesamten Rechnungssumme. Was denn, jetzt wird einem noch die Trinkgeldhöhe vorgeschrieben??? Jetzt wurde sogar André unwirsch. Stellt Euch einmal vor, in Deutschland würde ein Restaurantmitarbeiter eigenmächtig eine fixe Summe Trinkgeld von den Gästen einfordern? Um es einmal mehr mit Tommy Jauds Worten zu sagen:  Da wir den Wettbewerb „nettester Tourist“ eh längst verloren haben… Naja, in diesem Lokal werden wir uns wohl nicht wieder blicken lassen dürfen. Aber egal. Hoffen wir, dass der Anblick des Taj Mahals uns ein wenig mit dieser rüden Stadt Agra versöhnt.

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