Angetajt

Ja, wir haben das Taj Mahal natürlich auch angetatscht. Wenn man einmal vor so einem beeindruckenden Weltwunder steht, muss man es einfach auch mal anfassen. Sozusagen um zu prüfen, ob es auch wirklich echt ist und nicht nur ein Traum. Mit dem Taj Mahal ist nun auch die letzte große Sehenswürdigkeit unserer Reise erkundet, die letzte Etappe abgehakt. Als wir am vergangenen Donnerstag im Licht der aufgehenden Sonne dann wirklich und wahrhaftig vor ihm stehen, können wir es selbst kaum glauben. Sind wir nun wirklich am Ende unserer 6-monatigen Weltumrundung angekommen? Ajay hat uns eingebläut, wir sollen früh da sein und das für uns völlig unnatürliche, an Quälerei grenzende, noch vor dem ersten Hahnenkrähen aus dem Bett Schälen, hat sich tatsächlich gelohnt. Pünktlich um kurz vor 6 Uhr stehen wir am Ticketschalter und gelangen als eine der ersten Besucher des heutigen Tages auf die Anlage. Noch herrscht Ruhe vor dem großen Sturm, ehe tausende Touristen und noch mehr Souvenirverkäufer einfallen und das angenehme Ambiente in einen surrenden Bienenkorb verwandeln. Das Taj Mahal ist eines der bedeutendsten Bauwerke der Welt und seine Geschichte ist so tragisch, dass jeder Schmachtroman-Autor seine Freude daran hätte. Als Andenken an seine, bei der Geburt seines 14. Kindes, verstorbene geliebte Frau, begann Großmogul Shah Jahan 1631 das Mausoleum zu errichten. Die Kosten des Bauwerks verschlangen alles Geld der Herrscherfamilie und aus Angst vor dem Ruin, entmachtete sein eigener Sohn den Mogul und steckte ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis, ehe er ihn nach seinem Tod neben dem Grab seiner Frau beerdigte. Diese Form der Totenverehrung war den Hindus bis dahin völlig fremd, da einer ihrer Glaubensgrundsätze die Wiedergeburt ist und sie so ihren Toten keine Denkmäler errichten.

Eines der 3 Eingangstore zum Taj
Eines der 3 Eingangstore zum Taj

Wir gelangen durch eines der 3 symmetrisch angeordneten, jedoch im Gegensatz zum Taj unterschiedlich gestalteten, riesigen Eingangstore und da liegt es vor uns. Wie auf den unzähligen Fotos, die wir bereits gesehen haben, führt ein langer Wassergraben auf das komplett rechteckige, aus weißem Marmor geschaffene Gebäude zu. Der Anblick ist so harmonisch, dass wir erst einmal verharren und staunen. Oftmals ist es ja so, dass man bei solchen berühmten Bauwerken mit entsprechenden Erwartungen an die Sache herangeht, weil man es schon auf so vielen Plakaten, Postkarten, in Filmen und im Fernsehen gesehen hat. Wenn man dann aber irgendwann leibhaftig davor steht, ist man meist eher enttäuscht, weil es doch nicht so aussieht und man erkennen muss, dass oftmals Photoshop seine Hände im Spiel hatte. Nicht so beim Taj Mahal. Sein Anblick ist einfach unbeschreiblich. Dieses riesige, in blendendem Weiß gehaltene Grabmal erinnert eher an einen Palast denn an eine letzte Ruhestätte. Langsam laufen wir die Allee entlang und immer größer hebt sich das Gebäude gegen den leicht violett farbenen Himmel ab. Noch ist die Sonne nicht ganz aufgegangen, lange Schatten liegen auf den Grünflächen zu unserer Rechten.

Das letzte Highlight einer langen Reise: Das Taj Mahal
Das letzte Highlight einer langen Reise: Das Taj Mahal

Bevor wir die Stufen zum Eingang hinaufgehen, müssen wir uns „Schuhkondome“ ausleihen, eine Art Stofftüten für die Schuhe, damit das kostbare Marmor nicht beschädigt wird. Natürlich sollen wir auch hier wieder ein paar Rupies abdrücken (hatte Ajay nicht gesagt, das sei umsonst?). Fairerweise muss man ja aber sagen, dass der Eintritt ins Taj für weltliche Verhältnisse relativ billig ist. 750 Rupies, also um die 12,50 € kostet er, für westliche Touristen ein Witz, doch für Inder unbezahlbar. Darum gibt es für die Einheimischen auch einen viel günstigeren Preis, was wiederum die vielen Preller und Schlepper bedeutet. Aber noch ist es still, als wir in die heiligen Hallen eintreten. Innen ist es stockfinster und es dauert eine Weile, bis sich unsere Augen an das Dunkel gewöhnt haben. Erst dann erkennen wir den Sarkopharg exakt in der Mitte unter der Kuppel. Im Gegensatz zur üppigen Fassade ist das Innere des Taj Mahals eher nüchtern, seine Form mutet ein wenig an die der Frauenkirche an. Andächtig laufen wir einmal um die Gräber herum, 20 Jahre hat es gedauert, dieses Bauwerk zu erschaffen.

Sieht im Sonnenlicht noch schöner aus...
Sieht im Sonnenlicht noch schöner aus...

Als wir wenig später wieder hinaus ins Freie treten, zeigen sich gerade die ersten Sonnenstrahlen. So früh am Morgen ist der für Indien typische Smog und Dunst noch kaum spürbar und wir haben sogar richtig blauen Himmel. Sofort wirkt das Marmor noch blendend weißer und erst jetzt wird einem die ganze Magie dieses Ortes bewusst. Wir müssen uns eine Weile setzen, um diesen Anblick ganz zu verinnerlichen. Mit etwas Wehmut beobachte ich das immer stärker werdende Treiben um uns herum. Noch heute geht es für uns zurück nach Delhi und in wenigen Tagen zurück nach Deutschland. Waren wir jetzt wirklich ganze 6 Monate unterwegs? Wir machen noch dutzende Fotos ehe uns die zunehmende Hitze zurück in Richtung Hotel treibt. Wir blicken nicht zurück, und laufen zügig an den dutzenden Ständen vorbei, deren Besitzer gerade ihr Hab und Gut für die kommenden Touristen ausbreiten. Die ersten obligatorischen Möchtegern-Guides und Rikscha-Fahrer belagern uns, doch wir winken nur müde ab und gehen weiter. Ajay empfängt uns noch ganz verschlafen, offensichtlich hatte er sich noch einmal auf`s Ohr gelegt und nicht so schnell mit unserer Rückkehr gerechnet. Dabei ist es inzwischen fast 8 Uhr und wir waren 2 Stunden unterwegs.

Erst aus dieser Perspektive werden einem die gewaltigen Dimensionen dieses Bauwerks bewusst
Erst aus dieser Perspektive werden einem die gewaltigen Dimensionen dieses Bauwerks bewusst

Direkt nach dem Frühstück brechen wir auf in Richtung Delhi. Noch einmal 4 Stunden Fahrtzeit, mindestens, liegen vor uns. Ganz Agra scheint gerade zum Leben zu erwachen und auf den Straßen herrscht dichtes Gedränge. Am Flussufer sehen wir die Inder ihr Morgengeschäft verrichten, da hocken sie, im Abstand von 10 Metern, die Gesichter einander zugewandt, mit heruntergelassenen Hosen. An diesen Anblick werden wir uns wohl nicht mehr gewöhnen. Wie auf Kommando rülpst Ajay lautstark, wir lachen und ich muss an einen Artikel aus einem anderen Weltreise-Blog denken. Der Autor schrieb, dass die Inder jeglichen Körperphänomenen ungehindert und ungeniert nachgeben. Sei es pinkeln, rülpsen, schniefen, pupsen oder naja, ihr wisst schon, schlimmeres. Naja. Wenigstens haben wir es dank extremer Vor- und Umsicht geschafft, nicht in eine der tausenden herumliegenden Tretminen zu tapsen.

Abschied von Ajay
Abschied von Ajay

Am frühen Nachmittag setzt uns Ajay direkt vor unserem Hotel ab. Gute zwei Stunden Fahrtzeit haben wir alleine durch die Stadt gebraucht. Delhi ist riesig. Und laut. Das Gehupe nervt mittlerweile nur noch. Wir machen noch einen kurzen Stopp bei Mc Donalds und freuen und über den zweiten Chicken-Burger innerhalb von 3 Tagen. Als die Schilder für Karol Bagh auftauchen, ist es dann nicht mehr weit und uns die Straße schon bekannt. Von hier sind wir vor exakt 3 Wochen gestartet. Im Hotel werden wir direkt herzlich vom Eigentümer wiedererkannt. Ein bisschen ist es komisch, zum letzten Mal das ganze Auto leerzuräumen und Ajay Lebewohl zu sagen. Die Verabschiedung zu ihm ist dann kühler als erwartet. Haben wir ihm etwa nicht genug Trinkgeld gegeben? Er gibt uns kurz die Hand und braust dann davon. Okay, nach 3 Wochen hat er vielleicht einfach Sehnsucht nach seiner Familie. Im Zimmer mache ich erst einmal einen Freudentanz und werfe mich auf`s Bett. Endlich wieder ein uneingeschränkt sauberes Zimmer mit weißen, fleckenfreien Laken.

 

Alle weiteren Fotos von Agra gibt`s hier.

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