Zu Besuch im Casa Refugio

Wie bereits vor einer Weile beschrieben, haben wir uns vor unserer Abreise überlegt, was wir unterwegs Gutes tun können und haben so Baby- & Spielsachen gesammelt. Im Internet sind wir auf die Stiftung Arco Iris gestoßen, die sich um Straßenkinder in La Paz kümmert. Im Rahmen dieser Stiftung von einem deutschen Pfarrer gibt es das Casa Refugio, welches sich um minderjährige Mütter aus sozial schwachen und gewalttätigen Familien kümmert. Mit acht Kilogramm gesammelten Sachen machten wir uns also am Donnerstag auf den Weg dahin. Durch meinen Mailverkehr mit der Stiftung hatte ich die Adresse und los ging`s.

 

Laut Google Maps nur 1,5 km entfernt, gestaltete sich die Suche nach der Adresse jedoch weitaus schwieriger als gedacht. Auch mehrmaliges Nachfragen bei den Einheimischen brachte keinen Erfolg. Schließlich gaben wir nach einer Stunde Suche entnervt auf. Nach einer kleinen Mittagspause im Hostel starteten wir einen neuen Versuch, dieses Mal mit dem Taxi. Immerhin erreichten wir zumindest einmal die gewünschte Straße, von der gesuchten Hausnummer fehlte jedoch immernoch jede Spur. Nach einer weiteren halben Stunde des Herumirrens in sengender Hitze mit Herzrasen (durch die Höhe und Anstrengung) gelangten wir schließlich durch eine schmale Fußgängergasse an ein bunt bemaltes Haus mit schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern. Nach kurzem Klopfen an der Metalltür, öffnete uns eine junge Frau. Mehr schlecht als recht versuchten wir ihr auf Spanisch/Englisch zu vermitteln, dass wir Geschenke dabei hätten. Auf unsere Nachfrage nach der deutschen Sekretärin der Stiftung reagierte sie zunächst auch nur mit einem Kopfschütteln. Doch so leicht ließen wir uns nicht abwimmeln, schließlich wollten wir nicht umsonst gekommen sein und unverrichteter Dinge zu gehen, kam nicht in Frage. Erst auf mehrmaliges Drängen hin holte sie ihr Handy und rief die angegebene Telefonnummer an, die wir bei uns hatten. Nach einigem Hin und Her zwischen uns und der Sekretärin (offenbar kamen wir etwas zu überraschend), durften wir schließlich doch eintreten und unsere Sachen abgeben. Als wir die Beutel mit den Sachen hervor holten, verschwand dann doch das letzte Misstrauen und via Handyübersetzung durften wir dann doch überraschend zu den Mädchen, um unsere Sachen persönlich abzugeben:

 

In den oberen Stockwerken befinden sich jeweils mehrere Zimmern mit Betten und auf dem Dach, mit einem atemberaubenden Blick über La Paz, betreten wir schließlich das kleine Reich von Albertina: Albertina ist 14 Jahre alt. Auf dem Bett sitzt ihre ca. einjährige Tochter Gabriella und mitten im Zimmer steht Edgar, ihr ca. zweijähriger Sohn. Beide Kinder starren uns aus großen braunen Augen verwundert an. Wir setzen uns zu den Drein und beginnen die Geschenke auszupacken. Auch wenn wir uns quasi nicht verständigen können, sehen wir, wie Albertinas Augen beginnen zu leuchten. Begeistert bestaunt sie die kleinen Schuhe, immer wieder seufzt sie „Muy Bieno“. Mittlerweile ist noch eine zweite junge Frau hinzugekommen und ich drücke dem kleinen Jungen, Dante, ein Spielzeugauto in die Hand. Es ist unvorstellbar, was diese Mädchen in ihrem noch so jungen Leben erleiden mussten. Zu gerne würden wir mehr über ihre Geschichten erfahren wollen und ich bereue es, nicht mehr und besser Spanisch zu sprechen. Die Stiftung Arco Iris (=Regenbogen) gibt den Mädchen die Chance, ihre Kinder unbehelligt aufzuziehen und nebenbei ihre Schule zu beenden oder eine Ausbildung zu absolvieren. In ihren Familien konnten sie nicht bleiben, weil sie oft von ihren Angehörigen vergewaltigt und schwanger geworden sind. Es ist so furchtbar, dass ich einen dicken Kloß im Hals habe. Da werden unsere Probleme ganz winzig und unwichtig.

So sitzen wir eine ganze Weile zusammen und radebrechen ein paar Sätze auf Spanisch zusammen. Während die Kinder begeistert nach den Luftballons schauen, pullert Dante plötzlich auf den Fußboden. Erschrocken entschuldigt sich seine Mama tausend Mal bei uns und fängt an, die Pfütze mit einem alten Pullover wegzuwischen. Wir geben ihr zu verstehen, dass das doch kein Problem sei, Dante schaut uns nur aus großen Augen traurig an, offensichtlich war die ganze Aufregung zu viel für ihn. Uns wird es ganz schwer ums Herz, müsste man hier doch noch viel mehr helfen. Das Wort „Unbeschwertheit“ gibt es hier nicht. Wir versuchen, die Kinder zum Lachen zu bringen, doch es gelingt uns nicht. Lediglich die beiden jungen Muttis bewundern jede Mütze, jedes Kind bekommt reihum gleich Mal eine aufgesetzt, obwohl draußen bestimmt um die 20° sind, jedes Paar Socken, und, wie gesagt, über die Schuhe freuen sie sich am meisten.

 

Eine Stunde später nehmen wir notgedrungen Abschied und werden noch einmal mit Dank überhäuft. „De nada“, sagen wir immer wieder, das Wort „Danke“ ist hier in meinen Augen fehl am Platz. Vielmehr habe ich ein schlechtes Gewissen, dass wir nicht mehr für die Mädchen tun können.

 

Wichtiger Hinweis:

Entstehung und Zielsetzung der Fundación ARCO IRIS:

Unter dem Zeichen des Regenbogens gründete der deutsche Pfarrer Josef M. Neuenhofer 1994 im Auftrag der katholischen Kirche die Fundación ARCO IRIS (zu deutsch: Regenbogen). Diese bietet Straßenkindern, verwahrlosten Jugendlichen und Kindern von Strafgefangenen eine Heimat. Ziel ist es, die Kinder durch feste Bindungen, eine liebevolle Auf- und Annahme und eine befreiende Selbsterziehung auf ihrem Weg zu menschlicher Würde und zur Persönlichkeitsentfaltung zu begleiten. Durch vielfältige Unterstützung entstanden nach und nach über 17 Projekte. Weitere Spenden werden dringend benötigt. Wer helfen möchte, mehr Informationen zur Stiftung findet ihr unter www.arco-iris.de.

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