„Vamos, Chicos!“ Oder: Eine Reise ins Meer der Unendlichkeit

Bevor ich beginne, von unserer 3-tägigen Tour durch den Salar und die Lagunen zu berichten, muss ich ganz dringend etwas aus dem aktuellen Geo Special zitieren: „Das alles nur eine Landschaft zu nennen, fällt schwer. Denn die Gegend wirkt wie eine Antithese der belebten Natur, in der Menschen nicht vorgesehen zu sein scheinen. Wer hierher reist, bekommt eine Ahnung davon, dass die Zivilisation nicht viel mehr sein könnte, als ein bisschen Gebrumm zwischen zwei Zeitaltern, in denen sich der Planet selbst genügt.“

 

Treffender könnten wir es nicht ausdrücken: Die vergangenen 3 Tage waren eine Fülle aus Farben, ein Rausch der Weite, eine Begegnung mit der nicht-zivilisierten Welt. Kurz: Eine Reise ins Meer der Unendlichkeit, die uns Menschen ganz winzig erscheinen lässt! Da bleibt einem nur übrig, zu Staunen und Innezuhalten. Etwas Derartiges gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.

Salar de Uyuni
Salar de Uyuni

Tag 1, 02.12.2010


Pünktlich 07:30 Uhr stehen wir mit gepackten Rucksäcken an der Rezeption unseres Hostals und warten auf den Beginn unseres großen Abenteuers. Mit südamerikanischer Gelassenheit und einer Stunde Verspätung werden wir dann abgeholt und starten mit in Summe 12 Personen auf die Uyuni-Tour. Mit uns im Bus natürlich Sarah, Randi und Frank sowie 3 urbayerische Lausebuben und 4 durchgeknallte Amerikanerinnen. Letztere unterhalten schon den Bus lautstark, offensichtlich sind die Ratschläge des Tourguides (kein Alkohol aufgrund der Höhe) hier ins Leere gelaufen ;-)

 

Nach dem wir die chilenische Ausreisekontrolle noch in San Pedro passiert haben, geht es von 2.443 Meter ü.n.n. auf 4.200 Meter hinauf, zur bolivianischen Grenze. Zu unserer Linken reckt der Licancabur majestätisch seinen 5.916 Meter hohen Gipfel in die Höhe.

Grenzstation
Grenzstation

Das Wort „Grenze“ ist für die Baracke mit der kleinen bolivianischen Fahne auf dem Dach eigentlich zu viel gesagt, hier bekommen wir erneut unseren bolivianischen Einreisestempel, dann gibt es noch ein leckeres, schmackhaftes Frühstück und wir besteigen unsere 4x4 Offroad-Jeeps. Da die Tour nun also mit 12 Personen auf 2 Fahrzeuge verteilt stattfindet, fällt unser Los zu zweit auf die 4 US-Girls und nach dem sämtliches Gepäck auf den Dächern der Jeeps verstaut ist und wir uns in den Wagen gequetscht haben, geht es endlich los. Unser Fahrer „Jaime“ stellt sich kurz vor und da auch unsere Mädels fließend Spanisch sprechen, machen wir uns reihum kurz bekannt. 5 Minuten später müssen wir dann am Nationalparkeingang „Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa“ noch einmal 150 Bolivianos Eintritt pro Person zahlen und unsere Daten und Passnummern hinterlegen. Vom Parkeingang sind es dann nur 5 Minuten bis zur ersten Lagune, der Laguna Blanca auf 4.350 Meter. Niemals zuvor haben wir uns in unserem Leben auf einer derartigen Höhe bewegt und niemals zuvor, haben wir eine solche Landschaft gesehen. Fasziniert bitten wir Jaime anzuhalten und er gibt uns 15 Minuten, um zu Fuß ein Stück an der Lagune entlang zu wandern. Durch Einschwemmung von Mineralen entsteht die charakteristische weiße Farbe, von der der See seinen Namen hat. Um uns herum ist es mucksmäuschenstill und ganz langsam laufen wir staunend das Stück, fühlen uns wie die ersten Menschen auf einem fremden Planeten.

 

Direkt neben der Laguna Blanca liegt dann auch gleich eine der Hauptattraktionen unserer Tour, die Laguna Verde (=“Grüne Lagune“). Mit einer atemberaubenden Farbintensität zwischen türkisem blau und smaragd-grün, schimmert der See aufgrund seines hohen Anteils an kupferhaltigen Sedimenten  auf 4.300 Meter je nach Wind und Sonneneinstrahlung unwirklich intensiv. Der tiefblaue Himmel, die rötlich gefärbten Berge sowie die Lagune zusammen sind einfach nur der Wahnsinn. Wir rufen uns die Fotos des Bildervortrages von Diamir in Erinnerung, aufgrund dessen wir überhaupt nur hierher gekommen sind. Es ist genauso, wie wir es uns erträumt haben. Einfach unglaublich.

Laguna Verde
Laguna Verde

Von der Laguna Verde fahren wir dann über staubige Schotterpisten vorbei an beeindruckenden rötlich schimmernden Bergformationen. Keine Wolke trübt den Himmel und wir genießen sprachlos dieses Naturschauspiel. Jaime steuert den Jeep geschickt um die einzelnen Schlaglöcher und 30 Minuten später gelangen wir zu den Termas de Chalviri am gleichnamigen Salar auf 4.400 Meter. Diese ca. 30° heißen Quellen sind ein Naturbadebecken, welches bereits gut gefüllt ist und André lässt sich nicht lange bitten, um inmitten der Traveller im Wasser Platz zu nehmen. Aufgrund der Höhe darf hier jedoch nur 15 Minuten gebadet werden, ansonsten wirkt sich das wohl ungünstig auf den Magen aus. Ich streife derweile lieber mit der Kamera umher, ich finde immernoch keine Worte angesichts der Farben, dieses Erlebnis ist einfach nicht von dieser Welt.

Terma de Chalviri
Terma de Chalviri

Weiter geht die Fahrt, immer höher hinauf in die Atacama-Wüste, bis wir schließlich auf 4.850 Metern den höchsten Punkt der Tour, die Geysire „Sol de Mañana“ (deutsch: die Morgensonne), erreichen. Das Gebiet zeichnet sich durch intensive vulkanische Aktivität und Fumarolen (Geysire) aus. In den Kratern brodelt Lava und heißer Dampf zischt in Fontänen aus Erdlöchern. Jaime warnt uns ausdrücklich davor, den Geysiren zu nahe zu kommen, sind angeblich schon einzelne unvorsichtige Touris hineingefallen ;-) Gegrillt werden wollen wir nicht, dafür macht sich trotz langsamen Laufens so langsam aber sicher die Höhe bemerkbar. Laut Angaben einzelner Tourveranstalter sind wir hier sogar auf über 5.000 Meter, darüber scheiden sich jedoch die Geister.

 

Eineinhalb Stunden später erreichen wir unsere erste Übernachtung an der Laguna Colorada (=Rote Lagune), die angeblich schönste Lagune von allen. Das Panorama bei der Anfahrt hinab ist allein schon spektakulär, leider können wir jedoch den Anblick nicht so richtig genießen, hat mittlerweile doch die Höhenkrankheit heftig zugeschlagen. Obwohl wir eigentlich nur chauffiert werden und uns kaum auf der Höhe bewegen, hat das viele Trinken anscheinend nichts genützt. Das angebotene Mittag in der einfachen Unterkunft (6-Bett-Zimmer plus eiskalte Dusche) auf immerhin 4.300 Meter Höhe schlagen daher die meisten unserer Gruppe aus und auch der Vorschlag unserer Fahrer, nach dem Mittag noch einmal zur Lagune zu fahren, findet nur mäßig Begeisterung.

 

Der Abend ist dann bestimmt von sich kollektivem Übergeben, immer wieder hören wir das Würgen aus den Toiletten. Die halbe Gruppe liegt flach, alle haben sich die Decken bis über beide Ohren gezogen und man hört nur vereinzeltes Stöhnen und Schnarchen. Hinzu kommt die zunehmende Kälte, obwohl es tagsüber richtig heiß war, wird es nachts bis zu -25° kalt. An Schlaf ist kaum zu denken, das Atmen fällt schwer und unsere Herzen klopfen so schnell und laut, dass ich das Gefühl habe, es hallt durch den ganzen Raum.

Tag 2, 03.12.2010


Am Morgen dann immer noch das gleiche Spiel. Die Toiletten werden rege frequentiert und von den angebotenen Pfannkuchen will so recht keiner probieren. Es wird Zeit, dass wir weiter fahren, wir wollen nur runter von der Höhe.

 

Jaime und Walter, der zweite Fahrer, machen unsere Jeeps pünktlich und nüchtern (!) startklar und würgend und ächzend zwängen wir und unsere US-Girls uns hinein. Wir machen Jaime unmissverständlich klar, dass wenn wir heute „Anhalten“ brüllen, er dies tunlichst zeitnah in die Tat umsetzen sollte ;-)

 

Erste Station ist heute der versteinerte Wald mit dem berühmten“ El Arbol de Piedra“ (The Stone Tree). Diejenigen, denen die Höhe nichts ausmacht, nutzen die Zeit munter, um auf den beeindruckenden Felsformationen herumzuklettern. Ein bisschen mutet es hier fast wie in Namibia an, häuft sich zwischen den riesigen Steinen feinster gelber Sand.

El Arbol de Piedra
El Arbol de Piedra

Vorbei am 7-farbigen Berg geht es dann in Richtung zahlreicher weiterer Lagunen, so der Laguna Honda, Laguna Chearcota, Laguna Hedionda und Laguna Cañapa, die sich in verschiedensten traumhaften Farben in die andine Berglandschaft einfügen. Immer wieder bekommen wir die Gelegenheit, kurz auszusteigen und ein Stück zu Fuß zu gehen, um die ganze Schönheit der Natur zu bestaunen. In den Lagunen tummeln sich hunderte Flamingos, an den Ufern grasen Lamas und Vicuñas. Wir halten uns an den Händen und können unser Glück kaum fassen – was für ein Wunder, dass wir dieses Abenteuer erleben dürfen. An der Laguna Cañapa gibt es dann auch noch ein leckeres Mittagessen (Thunfisch mit Reis und Mayo) und die bayuwarischen Burschen hauen ordentlich rein. Den Drein scheint es offensichtlich blendend zu gehen und sie übernehmen gerne unsere übrig gebliebenen Portionen. Ich habe definitiv noch nie jemanden so viel essen sehen. Die 3, Christoph, Andy und Sven sind nach ihrem Studium für 3 Monate nach Südamerika aufgebrochen, in der Mittagspause haben wir endlich mal richtig Gelegenheit, uns zu unterhalten. Überhaupt sind André und ich hier in der Gruppe offensichtlich die einzigen Arbeitnehmer, alle anderen sind noch Studenten und mit meinen 27 bin ich sogar die Älteste.

Laguna Cañapa
Laguna Cañapa

Letzte Station für heute ist der 5.869 Meter hohe aktive Vulkan Ollagüe, der tatsächlich in der Ferne eine kleine Rauchfahne ausspuckt. Von hier geht es dann 5 Stunden weiter bis zum Salar. Dank unseren 4 US-Girls, Brenna, Laura, Cat und Elli jedenfalls, die ordentlich Stimmung im Auto und Jaime ganz verlegen machen, vergeht die Fahrtzeit wie im Flug. Wir kreuzen eine riesige Salzpfanne, den Salar de Chiguana, auf der hunderte kleine Tornados ihr Unwesen treiben und die tatsächlich von Eisenbahngleisen und einer Militärbasis gekreuzt wird. Mitten in der Mitte hat das zweite Fahrzeug dann auch noch eine Reifenpanne und Jaime und Walter wechseln im heftigen Sandsturm das Rad.

 

Gegen 19 Uhr erreichen wir schließlich unser heutiges Ziel, das Salzhotel direkt am Salar de Uyuni. Die Sonne ist schon fast untergegangen und wir beziehen begeistert unsere Zimmer. Im Hotel ist tatsächlich alles aus Salz (Wände, Tische, Stühle), auf den Gängen läuft man wie im Sand. Die Tatsache, dass es hier für 10 Bolivianos eine heiße Dusche gibt, löst regelrechte Begeisterungstürme aus. Nach dem es uns inzwischen wieder viel besser geht, knurrt uns regelrecht der Magen und wir erwarten mit Vorfreude das Abendessen. Alle versammelt an einem Tisch sind wie die einzige Touristen-Gruppe in diesem Hotel und wir werden ausgiebig mit Suppe, Hähnchen, Reis, gebratenen Kartoffeln und Wein bewirtet. Die Suppe ist köstlich, dazu gibt es aufgebackenes Brot und gierig löffeln wir die Teller in uns hinein. Da es morgen dann schon um 04:00 Uhr Aufstehen heißt, um den Sonnenaufgang über dem Salar zu erleben, überwältigt uns alle bald eine bleierne Müdigkeit und sofort nach dem Essen zerschlägt sich unsere Gruppe, denn alle wollen nur noch ins Bett. Selbst Andy verzichtet sogar auf ein Gute-Nacht-Gitarren-Ständchen und schon bald versinkt das Salzhotel in tiefer Ruhe.

Tag 3, 04.12.2010


Der Wecker klingelt unerbittlich um 04:00 Uhr. André ist erstaunlicherweise topfit, ich rolle mich knurrend noch einmal auf die andere Seite. Zum Frühstück gibt es Kuchen und Tee, um kurz nach halb sechs brechen wir mit den Jeeps auf zum Salar. Jaime und Walter sind wieder pünktlich und nüchtern – wir haben uns definitiv für die richtige Agentur entschieden!

 

Knapp 30 Minuten später stehen wir mitten in der blauen Stunde in mitten des Salars und frieren uns Löcher in den Bauch. Leider verhindern ein paar Wolken am Horizont, dass wir die Sonne aufgehen sehen, das Farbspiel ist dennoch spektakulär. An dieser Stelle noch einmal ein kurzes Zitat: „Der Tagesbeginn auf der größten Salzebene der Erde ist der Auftakt eines Ausfluges in einem Rausch aus Licht und Farbe und maßloser Weite.“ Wir wärmen uns gegenseitig und beobachten fasziniert, wie sich das zunehmende Tageslicht auf den Salzwaben auf dem Salar ausbreitet. Da sind wir nun, auf dem mit ca. 110x 140 Kilometer breiten und damit größten Salzsee der Erde, auf über 3.600 Metern Höhe. Um uns aufzuwärmen springen wir wie die Antilopen umher und nutzen natürlich gleich die Gelegenheit um ein paar der obligatorischen Perspektiv-Fotos zu machen. Wir sind einfach nur happy, den Salar trocken zu sehen, beginnt doch ab Mitte Dezember die Regenzeit und dann steht der See komplett unter Wasser und ist mitunter nicht mehr zu befahren.

Groß-André & Klein-Jana
Groß-André & Klein-Jana

Nicht viel weiter liegt die Isla Incahuasi mit ihren berühmten bis zu 12 Meter hohen Kakteen. Jaime stellt den Jeep ab und wir haben eine Stunde Zeit, auf der kleinen Insel inmitten des Salars herumzukraxeln. Die Kakteen sind gewaltig und daneben kommen wir uns ganz winzig vor. Als wir dann auch noch auf dem Gipfel ankommen und um uns herum die ganzen Ausmaße des Salars erkennen können, wird uns die Winzigkeit der menschlichen Zivilisation erst recht bewusst. Wie so etwas Großartiges entstehen konnte, ist nicht zu begreifen, oder, um es mit Svens Worten zu sagen: „It`s fucking awesome“.

Isla Incahuasi
Isla Incahuasi

Quer über die bis zu 7 Meter dicke Salzkruste fahren wir anschließend noch zu einem Salzmuseum, sowie einer Salzmine, bis wir nahe Uyuni noch unser Mittagessen, ebenfalls in einem Haus aus Salz, einnehmen. Die Salzhotels sprießen hier wie die Pilze aus dem Boden, offensichtlich haben die Bolivianer erkannt, dass hier noch viel im touristischen Bereich zu holen ist.

 

Unsere letzte Station für heute ist der Cementario de Trenes, ein alter Zugfriedhof in Uyuni. Hier rosten dutzende alte Lokomotiven vor sich hin – für jeden Eisenbahnfan wahrscheinlich das reinste Schlaraffenland. Wir klettern auf den alten Zügen umher, durch den Zahn der Zeit und das trockene Klima verfällt das Metall nur im Zeitlupentempo.

 

Ein letztes Gruppenfoto vor den Jeeps, ein letztes "Vamos, Chicos!" (Unser Insider-Aufbruch-Kommando ;-)), dann geht es zurück zum Agenturbüro in Uyuni. Wir verabschieden uns herzlich von Jaime und Walter, haben uns die beiden doch so sicher und wohlbehalten über die nicht einfach zu befahrenden Straßen gebracht. Noch heute Abend wollen wir als Gruppe alle gemeinsam mit dem Nachtbus nach La Paz fahren. Bis auf die Bayern, die wollen weiter nach Sucre. Die Agenturchefin bucht uns freundlicherweise die Bustickets gleich telefonisch und so brauchen wir nur noch zu bezahlen und unsere Tickets entgegen zu nehmen.

 

In der ortseigenen Pizzeria „Italia“ (in Uyuni heißen alle Pizzerien so ;-)) versammeln wir uns dann noch gemeinsam auf eine Absacker-Pizza, um die Zeit bis zur Busfahrt zu überbrücken. Irgendwie haben wir die Gruppe so richtig ins Herz geschlossen. Die vergangenen Tage waren einfach zu schön und erlebnisreich. So ein Erlebnis verbindet und ist unvergesslich. 3 Tage im Meer der Unendlichkeit!

  

PS: Noch mehr Fotos gibt`s in der Fotogalerie unter "Bolivien"!

Cementario de Trenes
Cementario de Trenes

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Kommentare: 2
  • #1

    Christin (Montag, 06 Dezember 2010 19:25)

    Echt der Hammer, was ihr so zum Nikolaus erlebt :-)
    Man kann die Begeisterung richtig spüren.
    Weiterhin viele solch toller Erlebnisse und nen Knutscher von uns.

  • #2

    Sylvia (Mittwoch, 08 Dezember 2010 18:16)

    Jetzt wollte ich grad ein Sprüchl zu dem tollen Bericht schreiben und sehe das Christin bereits alles geschrieben hat, was auch ich sagen wollte. Der absolute Hammer Euer Bericht! Liebe Grüße!