Ankunft in Hanoi – oder: vietnamesische Geschäftspraktiken

Unsere Ankunft in Hanoi – ein Schock. Zunächst freuen wir uns noch über die relativ zeitsparende problemlose Einreise, bis wir, samt Gepäck, in den strömenden Regen aus dem Flughafen treten. Sofort werden wir von vermeintlichen Taxifahrern umringt, die uns allesamt in die 35 Kilometer entfernte Stadt bringen wollen. Relativ blauäugig gehen wir mit dem ersten mit, immerhin sieht er mit seinem Ausweis um den Hals ziemlich professionell aus. Zum Glück frage ich ihn dann doch noch vor dem Einsteigen, wie viel die Fahrt denn kosten soll – er will uns schlappe 500.000 Dong berechnen, das ist mehr als das Doppelte, als die normale Fahrt eigentlich kostet (haben wir an der Info im Flughafen herausgefunden). Sofort blocken wir ab und schnappen uns unser Gepäck. Also weitersuchen und ich spreche einfach den nächsten Fahrer direkt an, dieser spricht kein Englisch und winkt auch nur eine Vermittlerin heran, mit der wir uns wenigstens auf 300.000 einigen können. Dass wir hier in Vietnam südamerikanische Verhältnisse mit regelrechten Schlepperbanden vorfinden würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Wir dachten, hier sei alles noch etwas ursprünglicher und nicht so touristisch – wie wir später im Reiseführer lesen werden, waren das jedoch naive Wunschvorstellungen. Gerade in Vietnam haben die Verkäufer von Touren und Unterkünften derartig aggressive Verkaufstaktiken entwickelt, dass man sich regelrecht in Acht nehmen muss. So halt auch die Taxi-Mafia am Flughafen. Nun ja, so geht die Fahrt erst einmal in Richtung Stadt, über eine 3-spurige Autobahn, die unser Fahrer mit ordentlich Gehupe und regelmäßigem Spurwechsel befährt (mit an die 100 Motorrollern um uns herum). Zum Glück ist es bereits dunkel, sonst hätte ich wahrscheinlich hier schon meinen ersten Herzinfarkt erlitten. Nach 10 Minuten fährt er plötzlich rechts ran, offensichtlich hat er eine kleine Tankstelle entdeckt. Argwöhnisch beobachten wir das Treiben vom Rücksitz aus, es gibt nur eine Zapfsäule und keine wirkliche Tankstelle, wie wir es kennen. Dann ist der Fahrer auch noch verschwunden – muss sich wahrscheinlich um die nächste Ecke noch mal erleichtern. Nach geschlagenen 15 Minuten geht die Fahrt weiter, bis wir mit einem haarscharfen U-Turn vor dem Gegenverkehr in eine kleine dunkle Straße in einem Industriegebiet abbiegen. Plötzlich ist alles dunkel um uns herum und kaum noch Verkehr. Ich versuche durch die trüben Scheiben und den dichten Regen ein Straßenschild ausfindig zu machen und als ich den Fahrer frage, wo wir eigentlich gerade sind, lacht er mich nur aus und gibt mir keine Antwort. So langsam wird mir das Ganze dann doch ein wenig unheimlich – was wenn er uns gar nicht zum Hotel fährt sondern, wie wir es von Thailand kennen, in irgendeine Schmuckfabrik oder Schneiderei? Zum Glück gelangen wir wenig später wieder auf eine Hauptverkehrsstraße und befinden uns nun wieder in der richtigen Altstadt. Durch den Regen und die Feuchtigkeit beschlagen die Fenster so sehr von innen, dass der Fahrer einfach alle öffnet und wir nach draußen blicken und die ersten vietnamesischen Eindrücke gewinnen können. Überall stehen Garküchen am Straßenrand, fliegende Händler verkaufen Obst und Gemüse. Wieder werden wir von dutzenden Motorrollern begleitet, die von vorne, hinten, links und rechts heranschießen und sich nahtlos in den dichten Verkehr einfädeln. Der Geruch von Frittiertem liegt in der Luft, an den Häusern hängen bunte Lichterketten. Endlich erreichen wir einen Anhaltspunkt, den Hoan-Kiem-See, jetzt wissen wir, dass wir richtig sind und dass es nicht mehr weit bis zum Hotel ist. Leider hat der Fahrer trotz Karte keinerlei Orientierungssinn und so irren wir noch eine ganze Weile durch die Altstadt, er fragt mehrfach nach dem Weg, ehe wir schließlich aussteigen, den vereinbarten Preis zahlen (natürlich will er uns mehr abknöpfen, doch wir lassen ihn einfach stehen) und den Rest zu Fuß gehen.

 

Im Hotel werden wir dafür gleich überschwänglich begrüßt. Noch ehe wir das Gepäck absetzen können und eingecheckt haben, steht ein dampfender Tee vor unserer Nase und der Hotelmanager sitzt geldgierig mit einem falschen Lächeln vor uns und plant unseren kompletten Vietnam-Urlaub über unseren Kopf hinweg. Natürlich will er uns nur seine besten Empfehlungen geben, die hoteleigene Reiseagentur hat für alle Sehenswürdigkeiten in der Umgebung einen Ausflug parat. Wann wir wo wie viele Tage verbringen wollen, fragt er uns. Darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht. Wir müssten uns mit dem Buchen beeilen, am besten würde er schon einmal alle Ausflüge rund um Hanoi für uns klar machen. Moment mal, das geht uns dann doch alles zu schnell. Wir wimmeln ihn ab, mit dem Hinweis, dass wir nach dem Flug doch müde sind und in unser Zimmer wollen, um uns erst einmal zu beratschlagen.

 

Das Zimmer entpuppt sich dann als Loch ohne Fenster mit Duschklo und schmutzigen Handtüchern, ich bin den Tränen nahe – so hatten wir uns unsere Ankunft in Vietnam nicht vorgestellt. Nach einem kurzen Durchatmen suchen wir die Buchungsbestätigung von HRS. Von wegen Upgrade in die nächst bessere Zimmerkategorie und Obstkorb bei Anreise. Haha! Wir gehen reklamieren und kurze Zeit später habe ich, nach einigem Lamentieren des Managers, ein neues Zimmer (obwohl angeblich ja alles ausgebucht ist). Hier gibt es zumindest ein Fenster und eine Badewanne. Erst später entdecken wir, dass die Toilettenspülung nicht funktioniert und im Bad der Schimmel schon mit uns reden kann. Wie pelzige graue Würmer hängen die Schimmelflecken an der Decke und ich mag gar nicht hinschauen, geschweige denn etwas anfassen. Wie konnte dieses Hotel nur so gute Bewertungen bekommen? Zumindest die beiden Niederländer in der Lobby, machten den Eindruck, als wären sie zufrieden mit ihrem Zimmer. Das bringt uns dann auch auf die Idee, nochmal im Internet nach dem Zimmerangebot zu recherchieren, und tatsächlich, das Hotel hat einen alten und neuen Teil, die Zimmer im neuen Anbau sind natürlich viel besser und moderner ausgestattet. Also reklamieren wir ein zweites Mal. Dieses Mal verspricht man uns ein neues Zimmer für den nächsten Morgen.

 

Noch bis spät in die Nacht recherchieren wir nach Ausflugs-Angeboten und im Reiseführer. So einfach wie gedacht, ist es in Vietnam nicht. Man muss gut recherchieren und knallhart verhandeln. Im Reiseführer stehen genug Schauermärchen, besonders über die hoteleigenen Reiseagenturen. Da steht tatsächlich, dass Urlauber, die sich weigerten einen Ausflug über das Hotel zu buchen, glatt weg auf die Straße gesetzt wurden. Wir sind skeptisch, hat uns die übertrieben geschäftstüchtige Art des Managers doch etwas eingeschüchtert. Noch haben wir ihn ja in seine Schranken gewiesen, aber wie wird es dann morgen aussehen? Stehen wir dann ohne Unterkunft da, wenn wir ihm sagen, dass wir doch den etwas teureren Ausflug bei einem renommierten Reisebüro buchen wollen? Unruhig wälzen wir uns im Bett umher, André hat das Fenster geöffnet, damit die Schimmelspuren nach draußen ziehen, und der typisch nächtliche Lärm asiatischer Straßen zieht zu uns herauf. Das kann ja heiter werden, die nächsten 3 Wochen!

 

PS: Natürlich lese ich später im Reiseführer, dass es vom Flughafen einen öffentlichen Bus gibt, der nur ein Zehntel der Taxigebühren kostet und viel sicherer ist.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0